Rz. 92
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Seit dem 01.01.2020 enthält § 17a UStDV in Umsetzung der Vorgaben des Unionsrechts (§ 45a MwStVO) eine sog. Gelangensvermutung. Hintergrund ist, dass unionsrechtlich Formen der Nachweisführung für i. g. Lieferungen definiert wurden, die in allen Mitgliedstaaten anzuerkennen sind. Vorher gab es unionsrechtlich keine verbindlichen Regelungen, sodass die Nachweisführung dem Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten überlassen blieb (vgl. EuGH vom 27.09.2007, C-146/05, BStBl II 2009, 78 "Albert Collée", Rz. 24). Allerdings hatten diese stets die übergeordneten Grundsätze der Rechtssicherheit, Neutralität und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Zur Erleichterung des i. g. Handels einigten sich die Mitgliedstaaten auf Standardnachweise.
Rz. 93
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die deutsche Umsetzung ist sehr nah am Unionsrecht erfolgt. Nach § 17a Abs. 1 UStDV wird "vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde", wenn der Steuerpflichtige eine der in den folgenden Abschnitten der Norm benannte Kombination von Nachweisen besitzt. Im Prinzip handelt es sich, anders als bei anderen Belegnachweisen, um eine Fiktionsregelung. Nutzt ein Unternehmer die Nachweise nach § 17a UStV, liegt die Beweislast, dass keine i. g. Lieferung vorliegt, beim FA.
2.3.3.1 Gelangensvermutung bei Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer oder durch einen von ihm beauftragten Dritten
Rz. 94
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 17a Abs. 1 Nr. 1 UStDV muss der Unternehmer im Besitz bestimmter einander nicht widersprechender Belege sein, die jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, wobei diese voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sein müssen. Nach der ersten Alternative kann es sich um zwei Belege nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV handeln. Dabei geht es um Beförderungsbelege (§ 17b Abs. 3 S. 1 Nr. 3–5 UStDV) oder Versendungsbelege (§ 17b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 UStDV). Die zweite Alternative ist eine Kombination aus einem dieser Belege sowie einem Beleg nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV. Die entsprechenden Belege sind:
- eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet,
- Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen,
- ein von einer öffentlichen Stelle wie einem Notar ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt, oder
- eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.
2.3.3.2 Gelangensvermutung bei Beförderung oder Versendung durch den Abnehmer oder durch einen von ihm beauftragten Dritten
Rz. 95
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 17a Abs. 1 Nr. 2 UStDV muss der Unternehmer im Besitz bestimmter einander nicht widersprechender Belege sein, die jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, wobei diese voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sein müssen. Stets erforderlich ist eine Gelangensbestätigung (§ 17b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStDV – allerdings vom Abnehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorzulegen, was eine deutlich kürzere Frist ist als sonst!). Zusätzlich müssen mindestens zwei Belege nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV oder ein Beleg nach der Nr. 1 und ein weiterer nach § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV vorliegen.
2.3.3.3 Weitere Hinweise zur Gelangensvermutung
Rz. 96
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Nachweisführung nach § 17a UStDV ist nicht zwingend. Ein Unternehmer kann alternativ die Nachweise wie in der Vergangenheit nach den §§ 17b und 17c UStDV führen (vgl. Abschn. 6a.3a. Abs. 1 S. 4 UStAE). Anders als bei den Nachweisen nach § 17b UStDV gehört in Fällen des § 17a UStDV das Doppel der Rechnung nicht zwingend zu den Belegnachweisen.
Rz. 97
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Finanzverwaltung kann die Vermutung widerlegen (vgl. § 17a Abs. 3 UStDV). Dies soll v. a. der Fall sein, wenn die Finanzverwaltung beweisen kann, dass ein Gegenstand nie in das üGG gelangt ist (vgl. Abschn. 6a.3a. Abs. 3 S. 2 UStAE). Weist die Finanzverwaltung nach, dass Belege gefälscht sind oder falsche Angaben enthalten, kann der Unternehmer andere Belege i. S. v. § 17a Abs. 2 UStDV vorlegen, so vorhanden.
Rz. 98
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Finanzverwaltung geht leider nicht auf die Frage ein, wann die Belegaussteller voneinander unabhängig sind. Nach Auffassung des Mehrwertsteuerausschusses (113. Sitzung vom 03.06.2019, abgebildet in den "Erläuterungen" aus Dezember 2019, abrufbar unter https://taxation-customs.ec.europa.eu/commission-guidelines_de) sollen die Kriterien nach Art. 80 MwStSystRL angewendet werden. Nicht unabhängig sind dann Personen, bei denen familiäre oder andere enge persönliche Bindungen, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften sowie eigentumsrechtliche, finanzielle oder rechtliche Bindungen bestehen. Diese Personenkreise sind im UStG in § 10 UStG übernommen worden.
Rz. 99
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In der Praxis ist die Gelangensvermutung oftmals nicht umsetzbar. Insbesondere das Erfordernis, dass die Belege mit Ausnahme der...