Rz. 119
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nicht in der UStDV oder im Unionsrecht explizit geregelt ist die Möglichkeit der Nachweisführung mit anderen Beweismitteln (allgemein als Objektivnachweis bezeichnet). Allerdings hat die Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass eine i .g. Lieferung auch dann steuerfrei ist, wenn zwar die eigentlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweise mangelhaft sind, aber objektiv feststeht, dass der veräußerte Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wurde. Dies ergibt sich bereits aus einer EuGH-Entscheidung des Jahres 2007 (vgl. EuGH vom 27.09.2007, Rs. C-146/05, Albert Collée, BFH/NV Beilage 2008, 34). Der BFH hat diese Rechtsprechung mehrfach angewendet und bestätigt (vgl. BFH vom 18.02.2016, V R 53/14, BFHE 252, 551, BStBl II 2019, 333, BFH vom 24.07.2014,V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955, BFH vom 26.09.2019, V R 38/18, BFHE 267, 108, BStBl II 2020, 112). Somit hat der Unternehmer das Recht, die Steuerfreiheit grundsätzlich auch mit anderen als den in §§ 17a–17d UStDV benannten Belegen und Aufzeichnungen zu führen.
Rz. 120
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit Urteil vom 19.03.2015 (Az V R 14/14, BStBl II 2015, 912, Rz. 19; vgl. BFH, Beschluss vom 08.12.2015, Az: V B 40/15, BFH/NV 2016, 439) stellt der BFH hinsichtlich der Frage, wie die erforderlichen Nachweise für die Steuerbefreiung – unter Berücksichtigung des Neutralitätsgrundsatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – zu führen sind, fest: „… der Unternehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (vgl. dazu z. B. EuGH-Urteil "Teleos" u. a. vom 27.9.2007, C-409/04, EU:C:2007:548, Rz. 52 ff.; Frye in UR 2014, 753 ff.). Betroffen hiervon sind insbesondere Fälle, bei denen die Steuerbefreiung wegen Abweichung von den Vorgaben des § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. den §§ 17a–17c UStDV von der objektiven Beweislage abhängt (vgl. Robisch in Bunjes, § 6a, Rz. 56). Zur Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. Wäger in UR 2015, 702 ff. "Rückkehr des Beleg- und Buchnachweises als materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen". Kritisch vgl. Meyer-Burow/Connemann in UStB 2015, 298 ff. – die Rechtsprechung des V. Senats schränkt die Beweismöglichkeiten unzulässig ein, ggf. erneute Klärung durch den EuGH erforderlich. Zustimmend Heidner in UR 2015, 773 ff. – das Urteil ist "erfreulich klar" und wendet das deutsche Umsatzsteuerrecht unter Beachtung unionsrechtlicher Vorgaben zutreffend an, es stellt einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit dar (ebenso Heuermann in DStR 2015, 1919).