Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
2.3.6.1 Ermittlung der Erwerbsschwelle
Rz. 59
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für den Kreis der Schwellenerwerber regelt § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG eine sog. Erwerbsschwelle i. H. v. 12.500 EUR. Ein i. g. Erwerb liegt nicht vor, wenn der Erwerber einerseits in den Kreis der Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG fällt und andererseits (kumulativ) die Erwerbsschwelle nicht überschreitet. In die Ermittlung der Erwerbsschwelle sind grundsätzlich alle Erwerbe nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UStG aus allen Mitgliedstaaten im Kj. einzubeziehen. Nicht einzubeziehen sind Erwerbe neuer Fahrzeuge sowie verbrauchsteuerpflichtiger Waren, da diese nach § 1a Abs. 5 UStG auch bei den sog. Schwellenerwerbern generell der Erwerbsbesteuerung unterliegen (vgl. Abschn. 1a.1. Abs. 2 S. 2, 3 UStAE).
Rz. 60
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In die Ermittlung einzubeziehen sind die Entgelte für die entsprechenden Erwerbe. In Fällen des § 1a Abs. 1 UStG entspricht dies dem Entgelt i. S. d. § 10 Abs. 1 S. 2 UStG, in Fällen des i. g. Verbringens der nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG anzusetzenden Bemessungsgrundlage. Dabei ist auf die vereinbarten Entgelte abzuheben, da auch die Steuerentstehung bei einem i. g. Erwerb nach § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG nicht von der Zahlung abhängt. Außer Ansatz bleiben Erwerbe, für die ohnehin die normale Erwerbsbesteuerung greift (vgl. Rz. 53 ff. und vgl. Rz. 57 ff.).
Rz. 61
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Maßstab für die Anwendung der Erwerbsschwelle sind dabei grundsätzlich die Erwerbe des vorangegangenen Kj., da aus der Sicht des Beginns eines Kj., für das ggf. eine Erwerbsbesteuerung durchzuführen ist, nur diese zweifelsfrei feststehen. Allerdings fordert § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG auch, dass die Erwerbsschwelle im laufenden Kj. voraussichtlich nicht überschritten werden darf. Letzteres kann nur im Rahmen einer Prognose aus der Sicht des Beginns eines Kj. beurteilt werden. Kommt es trotz anfänglich anderer Prognose im laufenden Kj. zu einer Überschreitung, bleibt es dennoch bei der Nichtbesteuerung des i. g. Erwerbs (vgl. Abschn. 1a.1. Abs. 2 S. 5 UStAE). Zur ähnlich gelagerten Problematik bei Prüfung der Kleinunternehmergrenze vgl. Abschn. 19.1. Abs. 3 UStAE. Diese Rechtsfolge kann m. E. aber nur für den Fall eintreten, dass die durch den Unternehmer vorgenommene Prognose realistisch ist. Probleme werden daher insbesondere für den Fall auftreten, dass sich bei einer späteren Überprüfung herausstellt, dass die durch den Unternehmer vorgenommene Prognose von Beginn an zweifelhaft oder unrealistisch war (nicht zu verwechseln mit dem Fall, dass sich erst während des Kj. eine Erweiterung des Unternehmens ergibt, vgl. BFH vom 07.03.1995, Az: XI R 51/94, BStBl II 1995, 562).
2.3.6.2 Option zur Erwerbsbesteuerung
2.3.6.2.1 Rechtslage bis 31.12.2010
Rz. 62
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 3 UStG können nach § 1a Abs. 4 S. 1 UStG auf die Anwendung des § 1a Abs. 3 UStG verzichten. Voraussetzung hierfür ist, dass die Schwellenerwerber nicht ohnehin die in § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG benannte Erwerbsschwelle überschreiten, da für diesen Fall die Folge der normalen Erwerbsbesteuerung auch ohne Verzicht nach § 1a Abs. 4 UStG eintritt. Liegen die Erwerbe eines Schwellenerwerbers demnach unterhalb der Erwerbsschwelle, kann er freiwillig nach § 1a Abs. 4 UStG optieren und muss dann sämtliche i. g. Erwerbe der Erwerbsbesteuerung unterwerfen. Der Verzicht auf die Anwendung des § 1a Abs. 3 UStG kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur insgesamt erfolgen, ein selektiver Verzicht nur für einzelne Erwerbe oder für Erwerbe aus bestimmten Mitgliedstaaten ist nicht zulässig.
Rz. 63
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit dem Verzicht nach § 1a Abs. 4 UStG geht m. E. nicht gleichzeitig einher, dass der Unternehmer deswegen auch eine Option nach § 19 Abs. 2 UStG oder § 24 Abs. 4 UStG zur Regelbesteuerung ausgesprochen hätte. Folglich ändert der Verzicht nach § 1a Abs. 4 UStG nichts an den in diesen Vorschriften enthaltenen Vorsteuerausschlüssen oder -beschränkungen (vgl. BFH vom 24.09.1998, Az: V R 17/98, BStBl II 1999, 39). Sinnvoll kann ein Verzicht nach § 1a Abs. 4 UStG dennoch sein, wenn beispielsweise im Herkunftsland der Lieferung ein höherer Steuersatz als in Deutschland anfällt. In einem solchen Fall würde durch die Steuerfreiheit der i. g. Lieferung unter gleichzeitiger Erwerbsbesteuerung beim nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Abnehmer eine Verringerung der tatsächlichen Steuerbelastung eintreten.
Rz. 64
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 1a Abs. 4 S. 2 UStG ist der Verzicht gegenüber dem FA zu erklären. Die Verwendung einer USt-IdNr. gegenüber dem Lieferanten stellt demgegenüber keinen Verzicht i. S. d. § 1a Abs. 4 UStG dar (vgl. OFD Nürnberg vom 29.08.2002, Az: S 7130a – 12/St 43, UR 2003, 256 – für einen nach § 24 UStG besteuerten Landwirt; vgl. OFD Hannover vom 15.10.2008, Az: S 7103a – 14 – StO 183, UR 2009, 69 ebenso für pauschalierenden Landwirt). Das Gesetz schreibt für den Verzicht keine bestimmte Form vor, die Erklärung kann demnach auch konkludent erfolgen, beispielsweise durch die Abgabe einer entsprechenden Voranmeldung (Vorsicht wege...