Rz. 121
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Grundsätzlich ist zu beachten, dass sich die Rechtslage bei den i. g. Lieferungen zum 01.01.2020 durch Einführung des § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG entscheidend geändert hat, da nunmehr eine im Lieferzeitpunkt gültige USt-IdNr. des Erwerbers materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist. Weiterhin wurde die UStDV seit 2012 mehrfach signifikant angepasst. Ältere Entscheidungen beziehen sich teilweise auf den historischen Normwortlaut, der noch als "Kann-Vorschrift" ausgestaltet war, während es sich nunmehr um eine "Muss-Vorschrift" handelt, Anpassung zum 01.10.2013 wirksam. Ausweislich der Verordnungsbegründung (vgl. BR-Drucks. 628/11 vom 13.10.2011, 13, 15) wurde allerdings hierdurch lediglich die bisherige Auslegung der Vorschrift in die Rechtsverordnung übernommen. Hinzu kommt, dass insbesondere zur Anerkennung von CMR-Frachtbriefen als Nachweis der Wortlaut des § 17b Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG geändert wurde und, anders als in der Vergangenheit, explizit eine Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers und des Empfängers verlangt. Es ist bedauerlich, dass insbesondere zur Gelangensbestätigung (§ 17b Abs. 2 UStDV) bisher keine höchstrichterliche Finanzrechtsprechung vorliegt, obwohl es zahlreiche Unklarheiten und Zweifelsfragen gibt.
Rz. 122
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Besonders hohe Anforderungen sind an die Nachweisverpflichtungen zu stellen, wenn es sich um die i. g. Lieferung eines hochwertigen Wirtschaftsguts handelt und das Geschäft bar abgewickelt wird. In derartigen Fällen soll sich die Nachweispflicht über den Gesetzeswortlaut hinaus auch auf z. B. die Vertretungsmacht des "angeblichen" Vertreters sowie dessen Namen und Adresse richten (vgl. BFH vom 15.07.2004, Az: V R 1/04 (NV), BFH/NV 2005, 81 – im Urteilsfall ein hochwertiger Pkw; vgl. zum Barkauf Abschn. 6a.8. Abs. 7 UStAE; vgl. Abschn. 6a.2. Abs. 5 S. 3 UStAE; zur Abgrenzung vgl. Hessisches FG vom 18.08.2005, Az: 6 V 459/05, DStRE 2006, 280 AdV, rkr. – die Entscheidung des BFH soll keine Auswirkung auf den Belegnachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV a. F. haben, insbesondere bestehe bei Abholfällen keine Verpflichtung zum belegmäßigen Nachweis der Abholvollmacht eines Beauftragten, die durch den BFH angesprochene Problematik richte sich auf den Nachweis des tatsächlichen Abnehmers auch i. Z. m. § 6a Abs. 4 UStG und der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt [nachgehend: Hessisches FG vom 07.11.2006, Az: 6 K 3787/05, UStB 2007, 157 – keine belegmäßig dokumentierte Abholvollmacht bei § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStDV erforderlich – Rev. V R 65/06, Urteil vom 12.05.2009, BStBl II 2010, 511 diesbezüglich bestätigt durch den BFH, vgl. BFH vom 03.05.2010, Az: XI B 51/09 (NV) BFH/NV 2010, 1872; vgl. Rz. 116 ff., vgl. Rz. 121 ff., vgl. Rz. 131 ff., vgl. Rz. 175 ff.; vgl. Hundt-Eßwein, DStR 2007, 422, 426 – Nachweis aus Gründen der Vorsicht erbringen; nur u. U. nicht erforderlich bei unbaren Geschäften; vgl. FG München vom 28.04.2005, Az: 14 K 1519/03, DStRE 2006, 101 – zum Legitimationsnachweis eines Abholfahrers).
Rz. 123
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Aufzeichnungen sind grundsätzlich zeitnah und vollständig zu führen, die Belege müssen im Zeitpunkt der Beanspruchung der Steuerbefreiung vorhanden sein (vgl. Abschn. 6a.2. Abs. 3–5 UStAE – auch zur Übernahme der "objektiven Beweislage" bei mangelhaftem Buchnachweis; vgl. Urteil des EuGH in der Rs. Collée in vgl. Rz. 103). Macht der Unternehmer von der Steuerbefreiung Gebrauch, ohne im Besitz entsprechender Ausfuhrbelege zu sein, muss er dies dem FA anzeigen (vgl. BFH vom 18.07.2002, BStBl II 2003, 616 und Urteil vom 28.02.1980, Az: V R 118/76, BStBl II 1980, 415).
Rz. 124
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Allerdings sah der BFH i. d. Z. einen Konflikt zwischen der Nachweispflicht über das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung einerseits, da Art. 131, 138 Abs. 1, Art. 139 Abs. 1 MwStSystRL/Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL die Steuerfreiheit der i. g. Lieferungen von den durch die jeweiligen Mitgliedstaaten zur einfachen und korrekten Anwendung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festzulegenden Bestimmungen abhängig macht, deren nationale Ausprägungen in Form von § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a–c UStDV a. F. der BFH bisher als richtlinienkonform eingestuft hat (vgl. BFH vom 18.07.2002, BStBl II 2003, 616 und BFH vom 01.02.2007, Az: V R 41/04 [V], BFH/NV 2007, 1059) und für deren Anwendung bereits aufgrund der Wortgleichheit die bisherige Auslegung des BFH in Fällen der Ausfuhrlieferung in Betracht kommt, und andererseits dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in Fällen, in denen das tatsächliche Vorliegen einer i. g. Lieferung keinem Zweifel unterliegt, bei denen aber der Buchnachweis nicht zeitnah geführt wurde.
Rz. 125
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In drei wichtigen Entscheidungen vom 27.09.2007 setzte sich der EuGH mit mehreren umstritten Aspekten i. Z. m. i. g. Lieferungen auseinander: EuGH vom 27.09.2007, Rs....