Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 72
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Regelung des § 1a Abs. 3 UStG zu den Schwellenerwerbern steht in einem wechselseitigen Verhältnis zu den Regelungen hinsichtlich des Ortes der Lieferung in Fällen des i. g. Fernverkaufs nach § 3c UStG. Grundsätzlich bestimmt sich der Ort einer Lieferung in Fällen der Beförderung oder Versendung nach § 3 Abs. 6 UStG. Demnach liegt der Ort der Lieferung dort, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Für den Fall eines i. g. Erwerbs nach § 1a UStG regelt § 3d S. 1 UStG, dass der Ort des i. g. Erwerbs dort liegt, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Handelt es sich bei dem Erwerber um einen Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 3 UStG, der die Erwerbsschwelle nicht überschreitet und auch nicht darauf verzichtet, liegt nach der Definition dieser Vorschrift jedoch kein i. g. Erwerb vor. Was bleibt, ist allein die Lieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Die Lieferung unterliegt damit der Besteuerung des Ursprungslandes und den ggf. dort höheren Umsatzsteuersätzen.
Rz. 73
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für den Fall, dass der Lieferer den Gegenstand der Lieferung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet, regelt § 3c Abs. 1 S. 1 UStG demgegenüber einen abweichenden Lieferort. Liegen die weiteren Voraussetzungen des § 3c UStG vor, verlagert sich der Ort der Lieferung an das Ende der Beförderung oder Versendung. Folglich unterliegt eine solche Lieferung dann im Inland der Besteuerung (Bestimmungsland). Da die Regelung des § 3c Abs. 1 UStG nur den Fall betrifft, dass der Lieferer befördert oder versendet, sind Abholfälle folglich nicht betroffen (zur Abgrenzung bei Arzneimittellieferungen vgl. BFH vom 20.05.2015, Az: XI R 2/13 (V), BFH/NV 2015, 1775).
Erstes Zwischenergebnis:
- Holt der Schwellenerwerber, der die Erwerbsschwelle des § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG nicht überschreitet und auch nicht nach § 1a Abs. 4 UStG verzichtet hat, den Gegenstand der Lieferung im anderen Mitgliedstaat ab, liegt nach § 1a Abs. 3 UStG bereits kein i. g. Erwerb vor. Aufgrund des § 3c Abs. 1 S. 1 UStG kann es auch nicht zu einer Ortsverlagerung ins Inland kommen, da nicht der Lieferer befördert oder versendet. Die Lieferung ist im Ursprungsland steuerbar und steuerpflichtig.
- Überschreitet der Schwellenerwerber die inländische Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG oder verzichtet er auf die Anwendung nach § 1a Abs. 4 UStG, liegt ein i. g. Erwerb vor, dessen Ort sich nach § 3d S. 1 UStG als im Inland befindlich definiert. Der i. g. Erwerb ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG steuerbar und regelmäßig steuerpflichtig. Auf der Gegenseite stellt der Vorgang eine i. g. Lieferung dar und ist nach den Bestimmungen des Ursprungslandes steuerfrei gestellt.
Rz. 74
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch den liefernden Unternehmer, liegt grundsätzlich ein Fall des § 3c Abs. 1 S. 1 UStG vor. Es kann zu einer Verlagerung des Lieferorts an das Ende der Beförderung oder Versendung kommen. Weitere Voraussetzung hierfür ist nach § 3c Abs. 1 S. 2 UStG, dass es sich bei dem Abnehmer der Lieferung um einen bestimmten Personenkreis handelt. Nach § 3c Abs. 1 S. 3 UStG zählen auch die Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 3 UStG zu diesen Abnehmern (vgl. Abschn. 3c.1. Abs. 2 S. 1 UStAE und Abschn. 1a.1. Abs. 2 S. 4 UStAE), sofern diese weder die Erwerbsschwelle überschreiten noch auf deren Anwendung verzichtet haben. Allerdings wirkt die Ortsvorschrift des § 3c Abs. 1 S. 1 UStG nur unter der weiteren Voraussetzung, dass der liefernde Unternehmer die sog. Umsatzschwelle überschreitet, oder seinerseits bei Nichtüberschreiten der Schwelle nach § 3c Abs. 4 UStG einen Verzicht ausspricht.
Zweites Zwischenergebnis:
- Der Lieferer versendet oder befördert den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer und überschreitet dabei die Umsatzschwelle oder verzichtet auf deren Anwendung. Der Abnehmer ist ein Schwellenerwerber, der weder die Erwerbsschwelle überschreitet noch auf deren Anwendung verzichtet. In diesem Fall liegt auf Seiten des Abnehmers wegen der Regelungen des § 1a Abs. 3 UStG kein i. g. Erwerb vor, gleichzeitig ist auf Seiten des Lieferers § 3c UStG erfüllt. Die Lieferung wird nach § 3c Abs. 1 S. 1 UStG als in Deutschland ausgeführt behandelt und ist somit im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Lieferers unterliegt den für die Besteuerung des Abnehmers maßgeblichen Vorschriften und wird bei einem Schwellenerwerber regelmäßig ausscheiden.
- Der Lieferer versendet oder befördert den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer und überschreitet dabei die Lieferschwelle nicht und verzichtet auch nicht auf deren Anwendung. Der Abnehmer ist ein Schwellenerwerber, der weder die Erwerbsschwelle überschreitet noch auf deren Anwendung verzichtet. Auf Seiten des Abnehmers ändert der Sachverhalt nichts. Er unterliegt mit dem Erwerb wegen § 1a Abs. 3 UStG nicht der Erwerbsbesteuerung. Da aber...