Rz. 48
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Vermehrt kaufen deutsche Autohändler im EU-Ausland von Privatpersonen Neufahrzeuge an, um diese dann in Deutschland an Privatkunden zu verkaufen. Auf den Verkauf wenden die Autohändler i. d. R. die kundengünstige Differenzbesteuerung an; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Fahrzeug im EU-Ausland bereits mit Umsatzsteuer belegt wurde. Ein gravierender Fehler – und v. a. ein teurer, wie ein aktueller "Echtfall" zeigt (Weimann/Grobbel, PIStB 2014, 326):
Sachverhalt:
Im Prüfungszeitraum 2012 kaufte ein deutsches Autohaus (A) in Polen von Privatpersonen Neufahrzeuge im Wert von ca. 400.000 EUR.
Da die Fahrzeuge sämtlich an deutsche Privatkunden gingen, wollte A nur die eigene Marge (ca. 10 % = 40.000 EUR) der Umsatzsteuer unterwerfen und kalkulierte die Verkaufspreise wie folgt:
Einkaufspreis + Marge + Umsatzsteuer auf die Marge = Verkaufspreis
Die Betriebsprüfung vertritt dagegen die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung keine Anwendung findet und dass das Gesamtentgelt der Umsatzsteuer unterliegt.
2.4.1 Steuerbelastungsvergleich: Erhebliche Mehrsteuern kommen auf das Autohaus zu
Rz. 49
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Trifft die Auffassung der Betriebsprüfung zu, führt dies für das Autohaus zu einer ganz empfindlichen Umsatzsteuermehrbelastung, die selbstverständlich nicht (nachträglich) an den Kunden weitergegeben werden kann:
Fortführung Sachverhalt:
(alle Beträge in EUR) |
|
Autohaus |
Betriebsprüfung |
USt-Belastung |
Einkaufpreise |
400.000 |
400.000 |
|
+ Marge |
40.000 |
40.000 |
|
+ 19 % auf die Marge |
7.600 |
|
7.600 |
= Verkaufspreis |
447.600 |
|
|
USt lt. BP (Verkaufspreis : 119 × 19) |
|
|
71.465 |
Steuermehrbelastung |
|
|
63.865 |
Das FA hat recht – ein für das Autohaus schlimmes Ergebnis, das es auf jeden Fall zu vermeiden gilt.
2.4.2 Der wirtschaftliche Hintergrund
Rz. 50
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Zunächst stellt sich die Frage, ob solche Fälle – ein EU-ausländischer Nichtunternehmer verkauft einem deutschen Händler ein Neufahrzeug – in der Praxis überhaupt vorkommen.
Die Antwort auf diese Frage lautet eindeutig "Ja" Die Verkäufer sind i. d. R. Werksangehörige der (auch) im EU-Ausland ansässigen Hersteller. Die Werksangehörigen kaufen die Fahrzeuge vergünstigt und – anders als in Deutschland – häufig ohne Haltefrist von Ihrem Arbeitgeber und verkaufen diese mit Profit an deutsche Händler weiter. Der Einkaufspreis des deutschen Händlers liegt dann immer noch weit unter dem Preis eines Einkaufs vom Hersteller.
Rz. 51
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Derartige EU-Importe kommen v. a. aus
- Polen (Ford, Opel, Mercedes, Renault, VW)
- Spanien (Renault, Seat, VW)
- Tschechien (Skoda, VW)
2.4.3 Der umsatzsteuerliche Hintergrund
Rz. 52
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Grundsätzlich folgt die Besteuerung des Kfz-Handels den allgemeinen Regeln des Umsatzsteuerrechts. Dies gilt insbesondere für die Lieferung von
- Neufahrzeugen an andere Unternehmer
- Neufahrzeugen nichtunternehmerische Kunden im Inlands- und Non-EU-Geschäft
- Kraftfahrzeugteilen.
Rz. 53
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Sonderregeln gelten aber für die Lieferung von
Rz. 54
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Durch diese Regelung soll erreicht werden, dass auch der Verkauf neuer Fahrzeuge von Nichtunternehmern
- immer dort besteuert wird, wo das Fahrzeug letztendlich verwendet wird (Bestimmungslandprinzip) und
- nicht dort, wo das Fahrzeug (zum ersten Mal) verkauft wird (Ursprungslandprinzip).
Die Frage, ob die Werksangehörigen durch die Ein- und Verkäufe selbst zu einem Unternehmer werden, ist zwar interessant, stellt sich aber für den deutschen Autohändler nicht, da dann umsatzsteuerlich ein "normales" EU-Geschäft vorläge und die Steuerfolgen damit identisch wären (s. u.).
2.4.4 "Fahrzeuge" im Sinne der Sonderregeln
Rz. 55
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Den Sonderregeln unterliegen
2.4.5 Begriff des "Neu"fahrzeugs
Rz. 56
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Ein Kfz ist neu, wenn es
- nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder
- wenn seine erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.
Rz. 57
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Folge der 6.000 km–Grenze ist, dass auch sehr alte Fahrzeuge (z. B. Sammler- oder Ausstellungsfahrzeuge) als neu i. S. dieser Vorschrift gelten können, wenn sie wenig in Betrieb waren. Hier wird man allerdings beachten müssen, dass derartige Fahrzeuge wahrscheinlich als Ausstellungs- oder Museumsstücke nicht zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind (Abschn. 1b.1. Satz 2 UStAE).
Rz. 58
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Unklar ist der Begriff der ersten Inbetriebnahme. Definiert man diese als Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug vom ersten Erwerber zum ersten Mal bestimmungsgemäß benutzt wurde, wird bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen i. d. R. der Tag der ersten Zulassung maßgeblich sei...