Dipl.-Finanzwirt (FH) Josef Heß
2.4.1 Allgemeines
Rz. 72
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 220 Abs. 1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis nach den Vorschriften der Steuergesetze. Greifen spezielle steuergesetzliche Fälligkeitsbestimmungen i. S. d. § 220 Abs. 1 AO nicht ein, wird ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 220 Abs. 2 S. 1 AO – von dem Fall eines abweichenden Leistungsgebots abgesehen – grundsätzlich mit seiner Entstehung fällig. Der Anspruch des FA auf Umsatzsteuervorauszahlungen entsteht regelmäßig mit dem Ende des letzten Tages des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums (§ 13 UStG). Dabei entsteht die Umsatzsteuer für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer sie in einer Rechnung gesondert ausweist oder beim FA voranmeldet (BFH vom 20.01.1997, Az: V R 28/95, BStBl II 1997, 716). Der leistende Unternehmer hat die von ihm geschuldete, nicht gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer auch dann zu entrichten, wenn der Leistungsempfänger sie bei ordnungsgemäßer Inrechnungstellung als Vorsteuer hätte abziehen können. Das UStG lässt eine Steuerschuld auch dann entstehen, wenn der leistende Unternehmer sich über die Steuerbarkeit oder die Steuerpflicht geirrt hat (BFH vom 06.10.2005, Az: V R 15/04, BFH/NV 2006, 836).
Rz. 73
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Vorgenannten Grundsatz (Entstehung der USt mit dem Ende des letzten Tages des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums) schränkt § 220 Abs. 2 S. 2 AO jedoch ein. Denn nach dieser Vorschrift tritt die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung ein, wenn sich in den Fällen des § 220 Abs. 2 S. 1 AO, also bei Steuern, deren Fälligkeit nicht besonders gesetzlich bestimmt ist, der betreffende Anspruch aus der Festsetzung der Steuer ergibt.
Rz. 74
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 220 Abs. 2 S. 2 AO schiebt also die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis abweichend von dem Grundsatz des § 220 Abs. 2 S. 1 AO nur bei Festsetzung der Forderung hinaus, was nach dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften auf den Erlass eines Steuerbescheides i. S. d. § 218 Abs. 1 AO verweist (BFH vom 04.05.2004, Az: VII R 45/03, BStBl II 2004, 815).
Rz. 75
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Diese Einschränkung greift freilich dann nicht Platz, wenn der Anspruch des FA keiner Festsetzung durch Steuerbescheid nach § 218 Abs. 1 AO zugänglich ist, weil das FA wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch § 87 InsO gehindert ist, seine Steuerforderungen durch Steuerbescheid festzusetzen (vgl. BFH vom 18.12.2002, Az: I R 33/01, BFHE 201, 392; BStBl II 2003, 630). In diesem Fall greift § 220 Abs. 2 S. 2 AO nicht ein. Die Fälligkeit richtet sich dann folglich nach § 220 Abs. 2 S. 1 AO (BFH vom 31.05.2005, Az: VII R 71/04, BFH/NV 2005, 2147).
Rz. 76
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das FA kann im Insolvenzverfahren mit Forderungen (z. B. USt) aufrechnen, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf (BFH vom 04.05.2004, Az: VII R 45/03, BStBl II 2004, 815). Das FA darf allerdings im Insolvenzverfahren nicht gegen zugunsten des Schuldners festgesetzte Erstattungszinsen (z. B. zur USt) aufrechnen, soweit diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind (BFH vom 31.05.2005, Az: VII R 71/04, BFH/NV 2005, 2147).
2.4.2 Zustimmungsfälle
Rz. 77
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Nachdem das UStG keine besondere Regelung über die Fälligkeit von Erstattungsansprüchen vorsieht, tritt diese gem. § 220 Abs. 2 S. 2 AO erst mit der Bekanntgabe der Festsetzung ein. Ist eine Steuer aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen (hier: § 18 Abs. 3 S. 1 UStG) anzumelden und tatsächlich angemeldet, ist eine Festsetzung i. S. d. § 155 AO nicht erforderlich, wenn sie nicht zu einer abweichenden Steuer führt (§ 167 Abs. 1 AO). Dann steht die Steueranmeldung einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 S. 1 AO).
Rz. 78
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Führt die Steueranmeldung allerdings zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 S. 2 AO). In diesem Fall hat die Steueranmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung daher erst, wenn die Zustimmung der Behörde vorliegt.
Rz. 79
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Welche Frist für die Entscheidung über eine Zustimmung nach § 168 S. 2 AO angemessen ist, ist in Anlehnung an die allgemeinen Regelungen, die das Abgaben- und Verfahrensrecht für den Fall der Untätigkeit von Finanzbehörden vorsieht, zu beurteilen. Als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Frist zur Zustimmung nach § 168 S. 2 AO kann auf die Sechsmonatsfrist des § 46 Abs. 1 FGO zurückgegriffen werden. Abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles kann unter Umständen auch eine längere Untätigkeit gerechtfertigt sein. Aus der Regelung des § 18f. UStG ergibt sich, dass dem FA ein angemessener Zeitraum zur Prüfung eines erklärten Vorsteuerüberhanges einzuräumen is...