Rz. 32
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das UStG enthält keine Aussage zur Frage des Zeitpunkts der Lieferung; die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 6 f. UStG stellt daher insoweit auf die Vorgaben des Zivilrechts ab (vgl. Begründung des USt-ÄndG 1997, BT-Drucks. 390/96 und Abschn. 177 Abs. 2 S. 1 der "alten" UStR 2005: "Lieferungen ... sind ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt."). Nach dieser Auffassung entspricht der Lieferzeitpunkt dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs und des Übergangs von Nutzen und Lasten (vgl. §§ 446, 447 BGB). Damit wäre in Versendungs- oder Beförderungsfällen der Lieferzeitpunkt nicht zwangsläufig identisch mit dem Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung. Der Praxis bereitet die Auffassung des Gesetzgebers insbesondere dann Schwierigkeiten, wenn das Zivilrecht auf den Erhalt der Ware abstellt (vgl. Weimann, USt-Erhöhung, Kap. 4.3.2). Mit der wohl h. M. ist daher davon auszugehen, dass der Lieferzeitpunkt den Ortsbestimmungen des § 3 Abs. 6 f. UStG folgt. In der Vergangenheit war diese Auffassung ausschließlich in der Literatur zu finden und wurde – soweit ersichtlich erstmalig – auch vom BMF bei der Neuregelung der Rechnungsangabe "Leistungszeitpunkt" nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG übernommen (BMF vom 26.09.2005, BStBl I 2005, 937). Nunmehr ist es auch allgemeines Gedankengut der Finanzverwaltung, dass – wenn der Lieferort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt – der Tag der Lieferung der Tag des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands ist (BFH vom 06.12.2007, Az: V R 24/05, BStBl II 2009, 490; Abschn. 13.1. Abs. 2 S. 2 UStAE).
TIPP
Gilt also eine Lieferung an einem bestimmten Ort als ausgeführt, wird damit auch der Lieferzeitpunkt festgelegt.
Für die Kreditorenbuchhaltungen heißt das: bisher wurde für den Lieferzeitpunkt auf den Wareneingang abgestellt; nunmehr wird i. d. R. der Transportbeginn maßgeblich sein (Ausnahme: ruhende Lieferungen, die einer bewegten Lieferung folgen, vgl. Rz. 38 f.). Die für die Buchung notwendigen Informationen sollten dem Lieferschein entnehmbar sein.
Rz. 33
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Bedeutung hatten diese Überlegungen zuletzt insbesondere im Hinblick auf die Steuersatzerhöhung zum 01.01.2007 (vgl. Rz. 25). Vgl. hierzu OFD Frankfurt a. M. vom 26.01.2007, Az: S 7210 A – 21 – St 112; Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Steuersatzanhebung auf 19 Prozent / ... 5. Zeitpunkt der Lieferung, UR 2007, 549.
2.4.1 "Abhol-Geschäfte" (Transport durch den Kunden)
Rz. 34
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Die Lieferung wird grundsätzlich mit der Übergabe an den Abnehmer oder den von ihm Beauftragten ausgeführt.
Elektrohändler E verkauft dem Kunden K am 04.12.2006 einen Gefrierschrank, den E nicht vorrätig hat und daher im Werk bestellen muss. Das Werk liefert prompt; E informiert den K bereits am 13.12.2006, dass der Gefrierschrank zur Abholung bereit steht. K nutzt die Zeit zwischen den Feiertagen, leiht sich von seinem Arbeitgeber einen Lkw und holt den Gefrierschrank mit einem Freund am 30.12.2006 bei E ab. Da an dem Samstag die Buchhaltung des E unbesetzt ist, quittiert K den Erhalt; Rechnungserteilung und Bezahlung werden für die 1. Januarwoche vereinbart.
Lösung:
Die Lieferung des E erfolgt mit der Übergabe an K und damit vor dem 01.01.2007; sie unterliegt dem damals "alten" Steuersatz i. H. v. 16 %. Rechnungserteilung und Bezahlung in der 1. Januarwoche sind bedeutungslos.
Sachverhalt wie oben; K kann sich den Lkw erst nach den Feiertagen am 02.01.2007 ausleihen.
Lösung:
Die Lieferung erfolgt erst nach dem 01.01.2007 und unterliegt dem damals "neuen" Steuersatz i. H. v. 19 %.
2.4.2 "Bring-Geschäfte" (Transport durch den Verkäufer)
Rz. 35
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Die Lieferung wird zu Beginn des Transports (Beförderung oder Versendung) ausgeführt.
Sachverhalt wie Beispiele oben; E bringt dem K den Gefrierschrank am 30.12.2006 bzw. 02.01.2007.
Lösung:
Die Lieferung erfolgt mit Beginn der Beförderung (§ 3 Abs. 6 S. 1 und 2 UStG) und damit am 30.12.2006 zu 16 % oder am 02.01.2007 zu 19 %.
2.4.3 Nebenleistungen
Rz. 36
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"Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung" (Abschn. 3.10. Abs. 5 UStAE); diese vielstrapazierte Aussage ("jedem bekannt, oft verwandt, inhaltlich verkannt!") gilt auch für die Bestimmung des Lieferzeitpunkts. Praktische Auswirkungen hatte auch diese Erkenntnis bei Umsatzsteuererhöhungen.
Privatmann P kauft bei Elektrohändler E eine Waschmaschine, die noch am 29.12.2006 bei P aufgestellt wird. Der Monteur des E, der dem P die Waschmaschine anschließt, kommt allerdings erst nach den Feiertagen am 02.01.2007 zu P. E stellt dem P die Montage mit 20 EUR gesondert in Rechnung.
Lösung:
Die Montage teilt als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung "Lieferung der Waschmaschine". Da Letztere noch vor dem 01.01.2007 erfolgte, betrug der Steuersatz für den Gesamtumsatz weiterhin 16 %.
Rz. 37
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Soweit vermeintliche Nebenleistungen aber von selbstständigen Unternehmern nach bloßer Vermittlung durch den Haupt...