Rz. 158
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Abschn. 6a.8. Abs. 4 S. 1 UStAE bezieht sich der Vertrauensschutz des § 6a Abs. 4 UStG nur auf die nach § 6a Abs. 1 UStG erforderlichen Voraussetzungen (Unternehmereigenschaft des Abnehmers, Verwendung für dessen Unternehmen, körperliche Warenbewegung ins üGG). Er bezieht sich nicht auch auf die Richtigkeit der nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV zu führenden Nachweise (vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 4 S. 2 UStAE).
Rz. 159
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Frage nach der Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG stellt sich erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweisverpflichtungen nach den §§ 17a–d UStDV vollständig nachgekommen ist (vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 1 S. 3 UStAE; vgl. BFH vom 15.07.2004, Az: V R 1/04 (NV), BFH/NV 2005, 81 – hat der Unternehmer seinen Nachweisverpflichtungen genügt, waren aber die Angaben des Abnehmers unrichtig und konnte der Unternehmer dies unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen, wird er nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG in seinem guten Glauben geschützt und dies auch dann, wenn der Abnehmer einen falschen Namen und eine falsche Anschrift angegeben hat.). Maßgeblich hierfür ist die formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 S. 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (vgl. BFH vom 15.02.2012, XI R 42/10 (NV), BFH/NV 2012, 1188; vgl. BFH, Urteil vom 22.07.2015, Az V R 23/14, BStBl II 2015, 914, Rz. 43 (Urteilsbesprechung vgl. Gries/Stößel in NWB 2016, 1794); vgl. Abschn. 6a.8. Abs. 1 S. 6 UStAE). Unklar ist, ob die entsprechende strenge Sichtweise auch nach Einführung der "Gelangensbestätigung" als Regelnachweis weiter Bestand hat. Ein wesentlicher Unterschied besteht nämlich seither darin, dass die vom Verordnungsgeber (jedenfalls bis zur Umsetzung der "Gelangensvermutung" in § 17a UStDV n. F. zum 01.01.2020) als stärkste Nachweisform behandelte Gelangensbestätigung nicht im Kontrollbereich des liefernden Unternehmers liegt. Da die Gelangensbestätigung nämlich das Ende der Warenbewegung bescheinigen und vom Erwerber erstellt werden muss, kann sie nur nachträglich ausgestellt werden. Der Lieferer ist somit auf die Mitwirkung des Erwerbers angewiesen. Ist dieser böswillig, ohne dass der Lieferer dies wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung hätte erkennen müssen, spricht somit sehr viel dafür, dennoch den § 6a Abs. 4 UStG anzuwenden. Leider ist diese Problematik bisher nicht Gegenstand veröffentlichter Finanzrechtsprechung geworden.
Rz. 160
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Kein Vertrauensschutz greift z. B., wenn die USt-IdNr. nicht aufgezeichnet wurde (vgl. BFH vom 21.01.2015, XI R 5/13, BStBl II 2015, 724, Rz. 55 – in einem Fall, in dem der Abnehmer nicht in Besitz einer USt-IdNr. war und deswegen die USt-IdNr. eines Lagerhalters aufgezeichnet wurde; ggf. dennoch Steuerbefreiung im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH, vgl. Rz. 158). Diese Entscheidung ist wegen Einführung des § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG allerdings nur noch für bis zum 31.12.2019 ausgeführte i. g. Lieferungen relevant.
Rz. 161
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Reichweite der Vertrauensschutzregelung bei Reihengeschäften auch für die ruhende Lieferung vgl. BFH vom 11.08.2011 (Az: V R 3/10 (V), BFH/NV 2011, 2208). Der BFH löste den Urteilsfall zwar über die Zuordnung der bewegten Lieferung nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 16.12.2010 "Euro Tyre Holding" (Rs. C-430/09, BFH/NV 2011, 397). Ein Problem des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG konnte daher nicht mehr vorliegen. Dennoch findet sich am Ende des Urteils in Rz. 29 das folgende obiter dictum: "Auf die Frage, ob sich die Steuerfreiheit aus § 6a Abs. 4 S. 1 UStG ergibt, kam es zwar nicht mehr an. Es erscheint jedoch – selbst wenn die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vorlägen – entgegen der Auffassung des FA unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Euro Tyre Holding in BFH/NV 2011, 397 nicht möglich, sog. ruhende Lieferungen von der Gewährung des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 S. 1 UStG auszunehmen."