Rz. 58
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Eine erneute Kehrtwende hat der BFH in seinem Urteil vom 14.11.2018 vollzogen (BFH vom 14.11.2018, Az: XI R 16/17, BStBl II 2021, 461). Die Leitsätze dieser Entscheidung lauten wie folgt:
”1. Die entgeltliche Garantiezusage des Kfz-Händlers ist keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung.
2. Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses iSd. VersStG vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei ist”.
Der XI. Senat betont in diesem Urteil, dass sich dieser Fall von dem Sachverhalt, der der Senatsentscheidung vom 10.02.2010 (Az: XI R 49/07, a. a. O.) zugrunde lag, unterscheide, da der zugrunde liegende Sachverhalt eine Garantievereinbarung betraf, die allein auf einen Kostenersatz im Schadensfall gerichtet war, während seine frühere Entscheidung einen Fall betraf, bei dem der Garantienehmer im Garantiefall ein Wahlrecht zwischen Sachleistung/Reparatur durch den Händler oder Geldleistung direkt gegenüber der Versicherung hatte. Mit diesem Hinweis will der Senat daher explizit sein Urteil nicht als Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung verstanden wissen. Mit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 UStG soll eine doppelte Belastung des Versicherten mit Versicherungsteuer und Umsatzsteuer ausdrücklich vermieden werden.
Rz. 59
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Finanzverwaltung hat zunächst zögerlich auf dieses Urteil des BFH reagiert. Dies wird dadurch belegt, dass die BFH-Entscheidung aus dem Jahr 2018 erst im Jahr 2021 Eingang in das Bundessteuerblatt gefunden hat. Mit Schreiben vom 11.05.2021 hat das BMF nun dieses Urteil aufgegriffen und sich ihm angeschlossen (BMF vom 11.05.2021, Az: III C 3 – S 7163/19/10001:001, BStBl I 2021, 781, DStR 2021, 1236). Unter Hinweis auf die vorzitierte Entscheidung des BFH wurde Abschn. 4.10.1. Abs. 4 S. 3 UStAE wie folgt gefasst: "Die entgeltliche Garantiezusage eines Kraftfahrzeughändlers, mit der dieser als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, ist eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses iSd VersStG, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerbefreit ist (vgl. BFH v. 18.11.2019 – XI R 16/17, BStBl II 2021, 461)".
Gleiches soll nach dem Willen des BMF auch für das Versprechen einer Reparaturleistung durch den Garantiegeber gelten (vgl. BMF vom 11.5.2021, BStBl I 2021, 781). Obgleich sich diese Wertung möglicherweise nicht aus dem BFH-Urteil vom 14.11.2019 herleiten lässt, erstreckt der BMF seine neuen Verwaltungsgrundsätze auch auf die Garantiezusagen, die ein Wahlrecht zwischen Geld- und Sachleistung vorsehen. Diese Gleichstellung rechtfertigt die Finanzverwaltung mit der Feststellung, dass die frühere Entscheidung des BFH v. 10.02.2010 (a. a.O) "überholt" sei.
Rz. 60
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zum Vorsteuerabzug des Verkäufers (Versicherer) auf Eingangsleistungen i. Z. m. den steuerfreien Umsätzen führt das BMF aus, dass dieser nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen sei, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b oder Nr. 2 Buchst. b UStG vorlägen. Dies gelte in gleichem Maße, ob der Käufer einen Anspruch auf Reparatur/Reparaturkostenersatz gegen den Verkäufer oder ein Wahlrecht zwischen Reparaturanspruch gegen den Verkäufer und Reparaturkostenersatz gegen einen anderen Versicherer bestehen (BMF vom 11.05.2021, BStBl I 2021, 781 unter Ziff. II Nr. 1 und 2).
Rz. 61
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Anwendungszeitraum für diese geänderte Verwaltungsauffassung wurde zunächst dahingehend festlegt, dass diese Verwaltungsgrundsätze für alle Garantiezusagen zur Anwendung gelangen sollten, die nach dem 30.06.2021 abgeben wurden (BMF vom 11.05.2021, a. a. O.) Diese Übergangsfrist wurde zweimal ausgesetzt, sodass diese Verwaltungsgrundsätze nunmehr auf alle Garantiezusagen ab dem 01.01.2023 zur Anwendung gelangen (BMF vom 18.06.2021, Az: III C 3 – 7163/19/10001:001, BStBl I 2021, 871, DStR 2021, 1485 [Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2021]; BMF vom 18.10.2021, Az: III C 3 – 7163/19/10001:001, BStBl I 2021, 2142, DStR 2021, 2469 [Verlängerung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2022].
Rz. 62
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach einem Erlass des FinMin. Mecklenburg-Vorpommern, der auf einer Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene beruht, gelten die vorstehenden Grundsätze auch für Leasingfälle. Versichert der Leasinggeber das Leasingobjekt selbst und stellt er die Kosten der Versicherung dem Leasingnehmer gesondert in Rechnung, verschafft er hierdurch dem Leasingnehmer Versicherungsschutz, sodass diese Leistung nach § 3 Nr. 10 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei ist (vgl. hierzu FinMin. Mecklenburg-Vorpommern, Erlass vom 25.05.2022 – S 7163 – 00000-2017/001-002, UR 2022, 556).