Rz. 75
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Um als Umsätze im Zahlungsverkehr i. S. d. Befreiung eingestuft zu werden, müssen Dienstleistungen nach allgemeiner Auffassung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellen, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Zahlung erfüllt und damit bewirkt, dass Gelder übertragen sowie rechtliche und finanzielle Änderungen zwischen den Beteiligten oder deren Banken herbeigeführt werden (vgl. EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 38, 40; EuGH vom 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi Oyj, Rn. 24, 25; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 66; BFH vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17), DStR 2022, 1199, Rn. 58; BFH vom 10.12.2020, V R 4/19, BFH/NV 2021, 662, Rn. 15; BFH vom 06.05.2010, V R 29/09, BStBl II 2010, 885, Rn. 37; Abschn. 4.8.7. Abs. 2 S. 1 UStAE). Die Umsätze im Überweisungsverkehr und die Umsätze im Zahlungsverkehr werden für Zwecke der Steuerbefreiung gleich behandelt (vgl. in diesem Sinne EuGH vom 25.07.2018, C-5/17, DPAS, Rn. 37; EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 43; EuGH vom 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi Oyj, Rn. 26; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 50; BFH vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17), DStR 2022, 1199, Rn. 59). Die Erbringung rein materieller, technischer oder administrativer Leistungen in diesem Bereich ist hingegen nicht steuerfrei (vgl. EuGH vom 25.07.2018, C-5/17, DPAS, Rn. 36, 38; EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 40; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 66; BFH vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17), DStR 2022, 1199, Rn. 58).
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Zuletzt hat der EuGH in seiner Rechtsprechung seine Definition einer steuerbefreiten Zahlungsverkehrsdienstleistung noch einmal präzisiert. Danach ist ein Umsatz, der bewirkt, dass Gelder übertragen sowie rechtliche und finanzielle Änderungen herbeigeführt werden, steuerfrei, wenn durch den betreffenden Umsatz tatsächlich oder potenziell das Eigentum an den in Rede stehenden Geldern übertragen wird oder er die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer solchen Übertragung erfüllt und zu Änderungen der rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger oder auch zwischen diesen und ihren jeweiligen Banken sowie gegebenenfalls unmittelbar zwischen den Banken führt (vgl. EuGH vom 03.10.2019, C-42/18, Cardpoint, Rn. 22; EuGH vom 25.07.2018, C-5/17, DPAS, Rn. 38; EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 38, 41). Dies sei das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung einer steuerpflichtigen materiellen, technischen Leistung von einer steuerfreien Zahlungsverkehrsdienstleistung. Dem hat sich auch der BFH angeschlossen (vgl. BFH vom 26.01.2022, XI R 19/19 (XI R 12/17), DStR 2022, 1199, Rn. 58; BFH vom 10.12.2020, V R 4/19, MwStR 2021, 533 (mit Anm. Hahne), Rn. 15). Diese Voraussetzung ist jedenfalls bei demjenigen erfüllt, der dazu in der Lage ist, selbst unmittelbar Belastungen oder Gutschriften auf den Konten der Inhaber vorzunehmen, da es sich hierbei um eine spezifische und wesentliche Funktion einer Eigentumsübertragung an Geld handelt (vgl. EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 42). Aber auch wenn der Leistende nicht dazu in der Lage ist, heißt dies nicht, dass er nicht doch eine spezifische und wesentliche Funktion i. S. d. Befreiung erfüllen kann, die als Zahlungsverkehrsdienstleistung steuerfrei ist (vgl. EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 42, 38–40; zur Kritik an diesem Verständnis vgl. Kratz, BB 2022, 2519, 2587).
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Darüber hinaus ist der Vorgang, der zu diesen Änderungen führt, allein die Übertragung der Gelder zwischen den Konten unabhängig von deren Grund. Ob ein Vorgang eine Überweisung darstellt, entscheidet sich anhand funktioneller Aspekte, da die Überweisung nur ein Mittel zur Übertragung der Gelder ist (vgl. EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 38; EuGH vom 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi Oyj, Rn. 25; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 53, 66). Daraus ergibt sich umgekehrt, dass funktionell betrachtet auch andere Dienstleistungen spezifisch und wesentlich i. S. d. Befreiungsnorm sein können, wenn sie ein Mittel zur Übertragung von Geldern darstellen und zu Änderungen der rechtlichen und finanziellen Situation zwischen den Beteiligten führen. Dies gilt insbesondere im Falle von Lastschriften (insofern spricht der EuGH allgemein vom Zahlungsverkehr, vgl. EuGH vom 26.05.2016, C-607/14, Bookit, Rn. 43; EuGH vom 28.07.2011, C-350/10, Nordea Pankki Suomi Oyj, Rn. 26; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 50). Da der Grund der Übertragung der Gelder nicht entscheidend ist, kommt es auch nicht darauf an, ob Gelder aufgrund eines Überweisungsauftrages, i. R. d. Elektronischen Lastschriftverfahrens, bei Zahlungen mittels Kredit- oder Debitkarten oder als E-Geld übertragen werden. Ebenso wenig ist für umsatzsteuerliche Zwecke entscheidend, ob die Auslösung der Zahlung auf die Initiative des Zahlungsschuldners (Überweisung) od...