Rz. 43k
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der EuGH vertritt im Besprechungsurteil eine zumindest in Teilen sicher unerwartet strenge Rechtsauffassung. Das Gericht misst der Rechnungsangabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" materielle Bedeutung bei. Ein diesbezüglicher Fehler ist nicht rückwirkend heilbar.
2.4.3.9.1 Rechnungspflichtangabe
Rz. 43l
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach der MwStSystRL muss die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" enthalten.
Der Zwischenerwerber kann diese Angabe nicht durch einen anderen Hinweis ersetzen.
Der Sinn und Zweck der nach Art. 226 der MwStSystRL obligatorischen Rechnungsangaben besteht darin, den Rechnungsadressaten über die rechtliche Bewertung des Umsatzes des Rechnungsausstellers zu informieren. Dieser Zweck greift umso mehr, wenn der Rechnungsaussteller der Ansicht ist, dass ausnahmsweise nicht er, sondern der Empfänger der Lieferung die Mehrwertsteuer schuldet.
Die nach der Richtlinie erforderliche Formalität ermöglicht es sicherzustellen, dass der Endempfänger einer Lieferung Kenntnis von seinen steuerlichen Pflichten hat. Denn für die Regelung des Übergangs der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ist es gerade kennzeichnend, dass zwischen dem Lieferer und dem steuerpflichtigen Empfänger einer Lieferung keine Mehrwertsteuerzahlung erfolgt, weil Letzterer diese Steuer für diese Lieferung zu entrichten hat. Daher kann insoweit keine Unsicherheit bestehen.
Der Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts ist daher nicht wirksam als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden, wenn die vom Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" enthält.
2.4.3.9.2 Keine Rückwirkung
Rz. 43m
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Weglassen der Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" auf einer Rechnung kann durch Ergänzung eines Hinweises darauf, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht, nicht im Nachhinein berichtigt werden.
Der EuGH stellt ausdrücklich klar, dass er zwar anerkannt hat, dass das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass der Vorsteuerabzug oder die Erstattung der Vorsteuer gewährt wird, auch wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die materiellen Anforderungen im Übrigen erfüllt wurden.
Folglich kann von einer Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine Voraussetzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die erforderliche Rechnungspflichtangabe fehlt. Denn das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung ist keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann.
2.4.3.9.3 Auf die Rechnung des Zwischenerwerbers anzuwendendes nationales Recht
Rz. 43n
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nicht beantwortet hat der EuGH die Frage des vorlegenden Gerichts, ob die Vorschriften über die Rechnungsstellung des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbers oder jene des Mitgliedstaats des Enderwerbers anzuwenden sind. Dem vorlegenden Gericht stellt sich diese Frage, weil die Steuerpflichtige im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend macht, dass das Umsatzsteuerrecht des Bestimmungslands anzuwenden sei. Danach sei es nicht erforderlich, dass die Rechnungen einen Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld enthielten.
Aus den Ausführungen unter den Ziffern 1 und 2 ergibt sich jedoch, dass die Antwort auf diese Frage keine Auswirkung auf den Ausgang des Ausgangsrechtsstreits haben kann. Da auf den streitgegenständlichen Rechnungen die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" fehlt, ist die Bestimmung des Enderwerbers zum Schuldner der Mehrwertsteuer nämlich nicht wirksam erfolgt. Der Zwischenerwerber ist daher in dem Mitgliedstaat als Schuldner dieser Steuer anzusehen, der ihm die Identifikationsnummer erteilt hat, die er für den fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerb verwendet hat.
Die in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie genannten Anforderungen können jedenfalls nicht von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren. Das vorlegende Gericht hat das auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Recht, sei es das Recht des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbers oder das Recht des Mitgliedstaats des Enderwerbers, in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen.