2.4.4.1 Anwendungsbereich
Rz. 63
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Garantiezusage eines Kfz-Händlers, durch die der Käufer gegen Entgelt einen Anspruch auf Reparatur/Reparaturkostenersatz gegen den Verkäufer oder ein Wahlrecht zwischen Reparaturanspruch gegen den Verkäufer und Reparaturkostenersatz gegen einen anderen Versicherer erlangt (Kombinationsmodell), ist nach Auffassung der Finanzverwaltung als selbstständige umsatzsteuerliche Leistung zu werten, die jedoch steuerbefreit nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG (Gewährung von Versicherungsschutz) ist, um eine Doppelbelastung mit Versicherungsteuer zu vermeiden, da diese Form der Garantiezusage nach der Auffassung der Finanzverwaltung unter das Versicherungsteuergesetz fällt. Das für die Garantiezusage an den Verkäufer gezahlte Entgelt ist Versicherungsentgelt i. S. d. § 3 VersStG. Sichert sich der Verkäufer bei einem anderen Versicherer gegen den Eintritt von Garantiefällen ab, wird hierdurch ein Rückversicherungsverhältnis i. S. d. § 4 Nr. 1 VersStG begründet (vgl. hierzu BMF vom 11.05.2021, BStBl I 2021, 781, Ziff. I).
Rz. 64
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Von der Einräumung einer echten Garantiezusage abzugrenzen sind die Einstandspflichten des Händlers aufgrund der gesetzlichen Mängelhaftung nach §§ 433ff. BGB. Der Händler hat die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu liefern. Ist die Sache mangelhaft, stehen dem Käufer die Rechte nach den §§ 437ff. BGB zu. Bei der gesetzlichen Gewährleistung wird weder ein Versicherungsverhältnis begründet noch ist dies als selbstständige umsatzsteuerliche Leistung zu werten.
Ebenso sind zumindest aus zivilrechtlicher Sicht selbstständige Garantiezusagen von einer unselbstständigen Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie nach § 443 BGB abzugrenzen. Aus dem o. a. BMF-Schreiben ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen diesen unterschiedlichen Formen der Garantiezusage (vgl. Möser, DStR 2022, 2025).
Rz. 65
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Streitig ist, ob die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 11.05.2021 auch auf Herstellergarantien übertragbar sind. Ausdrücklich erstreckten sich die Verwaltungsgrundsätze zunächst nur auf Garantiezusagen von Kfz-Händlern. Im BMF-Schreiben vom 18.06.2021 werden diese Grundsätze für branchenunabhängig anwendbar auf Garantiezusagen erklärt (BMF vom 18.06.2021, Az: III C 3 – 7163/19/10001:001, BStBl I 2021, 87, DStR 2021, 1485). Ob diese Grundsätze auch auf Herstellergarantien zu erstrecken sind, bleibt abzuwarten (vgl. Gries/Sava, UR 2022, 836, 843).
2.4.4.2 Aufteilung des Kaufpreises
Rz. 66
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist die Garantiezusage des Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zum Fahrzeugverkauf, sondern eine eigenständige Leistung, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreit ist. Veräußert ein Kfz-Händler daher einen Pkw einschließlich der Garantiezusage, muss er das Entgelt aufteilen in
- einen Kaufpreis für den Pkw und
- ein Entgelt für die Garantiezusage.
Das Entgelt für die Garantiezusage unterliegt der Versicherungsteuer.
Rz. 67
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei einem – wenn auch (etwa aus Unwissenheit) versehentlichen – Verzicht auf die Aufteilung droht ein insoweit unrichtiger – nämlich zu hoher – Umsatzsteuerausweis (§ 14c Abs. 1 S. 1 UStG). Das heißt: Das FA verlangt die Umsatzsteuer aus dem "überhöhten" – weil ohne Berücksichtigung der Garantie berechneten – Entgelt für den Gebrauchtwagenverkauf und darüber hinaus die Umsatzsteuer auf die Garantiezusage. Die Folge ist eine de facto doppelte Besteuerung der Garantiezusage mit Umsatzsteuer und Versicherungsteuer.
2.4.4.3 Kritik an der neuen Verwaltungspraxis
Rz. 68
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die neue Verwaltungsauffassung wird als überschießende Rechtsanwendung kritisiert. Die Kritik entzündet sich v. a. daran, dass das BMF in dem Urteil des BFH vom 14.11.2018 eine Aufgabe der früheren Rechtsprechung des BFH, die sich maßgeblich im Urteil vom 10.02.2010 manifestiert, erkennt, obwohl der BFH ersichtlich nur den Fall der Garantieleistung in der Form des Kostenersatzes entscheiden wollte. Der Nachteil der geänderten Verwaltungsauffassung besteht darin, dass der Anwendungsbereich des Versicherungsteuergesetzes stark ausgedehnt wird. Auch wenn eine Doppelbelastung von Versicherungsteuer und Umsatzsteuer vermieden wird, führt die Versicherungsteuer jedenfalls im unternehmerischen Verkehr zu einer echten Mehrbelastung des Kunden, da es im Versicherungsteuerrecht keinen Vorsteuerabzug gibt. Der Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei einem steuerfreien Versicherungsumsatz führt aber auch beim Händler zu einer erhöhten Kostenbelastung, wenn er aufgrund der Garantiezusage zu einer Reparaturleistung verpflichtet ist. So kann der Händler z. B. beim Einkauf des Materials, das er im Garantiefall für die Reparaturleistung benötigt, keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Die Versagung des Vorsteuerabzugs stellt im europäischen Wettbewerb einen Standortnachteil für deutsche Unternehmer dar, da nicht in jedem europäischen Mitgliedstaat eine Versicherungsteuer erhoben wird (vgl. hierzu Gries/Sava, U...