Rz. 53
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das UStG selbst lässt – wie schon für Lieferungen – auch die Frage unbeantwortet, wann eine sonstige Leistung erbracht wird. Das mag insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass sonstige Leistungen in den unterschiedlichsten Ausprägungen vorkommen und sich daher nicht exakt positiv definieren lassen. Nach dem UStAE sind sonstige Leistungen "grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt" (Abschn. 13.1. Abs. 3 UStAE). Die h. M. definiert praxistauglicher: Der Zeitpunkt einer sonstigen Leistung ist der Zeitpunkt, in dem der Unternehmer alle zum Erbringen der Leistung erforderlichen Handlungen ausgeführt hat, die Leistung also in vollem Umfang bewirkt ist (vgl. statt vieler Wagner in S/R, § 13 UStG, Rn. 27).
TIPP
Eine sonstige Leistung ist mit anderen Worten dann erbracht, wenn der leistende Unternehmer alles getan hat, was er vertraglich schuldet!
Rz. 54
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sonstige Leistungen lassen sich in Anlehnung an die im bürgerlichen Recht vorgegebenen Schuldvertragsarten in vier Fallgruppen unterteilen, die nicht nur der Bestimmung des Leistungsinhalts und Leistungsorts, sondern auch der Leistungszeitpunkts dienen:
- Fallgruppe 1: Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen (vgl. Rz. 55),
- Fallgruppe 2: substanzüberlassende sonstige Leistungen durch verfügende Willenserklärung (vgl. Rz. 57),
- Fallgruppe 3: Leistungen, die auf die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung gerichtet sind (vgl. Rz. 58 f.),
- Fallgruppe 4: übrige sonstige Leistungen (vgl. Rz. 61).
2.5.1 Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen
Rz. 55
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Arbeits-, Dienst- und Werkleistungen sind Leistungen durch positives Tun und als solche grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Das gilt insbesondere für Werkleistungen; sie sind mit Fertigstellung des Werks ausgeführt (Abschn. 13.1. Abs. 3 S. 1 UStAE). Der Zeitpunkt der Vollendung des Werks wird hier häufig mit dem Zeitpunkt der Abnahme zusammenfallen (Abschn. 13.2. Abs. 3 S. 2 UStAE). Die Abnahme ist jedoch – anders als bei der Werklieferung – nicht Voraussetzung der Erfüllung. Zu den Besonderheiten in der Bauwirtschaft vgl. Rz. 70 ff.
Unternehmensberater U erstellt für Immobilienunternehmer I eine Machbarkeitsstudie zur Errichtung eines neuen Gewerbeparks. Den Jahreswechsel 2006/2007 nutzt U, um die Ergebnisse der Studie noch einmal zu überdenken und das für I gefertigte Gutachten in Ruhe "querzulesen". In der 1. KW 2007 bringt die Sekretärin des U das Gutachten in die Endform; in der 2. KW werden dem I die Ergebnisse vorgestellt.
Lösung:
Die Leistung des U wird erst mit der Bekanntgabe der Ergebnisse im Januar 2007 erbracht und unterliegt damit dem neuen Steuersatz i. H. v. 19 %.
Abwandlung:
Sachverhalt wie oben. U stellt dem I die Ergebnisse seiner Studie aber bereits am 29.12.2006 vor.
Lösung:
Ist I nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, sollte diese Gestaltung angestrebt werden; so ließen sich dann 3 % Umsatzsteuer einsparen.
Rz. 56
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Dieselbe Problematik ergibt sich auch bei Werklieferungen/Montagefällen (vgl. Rz. 44).
2.5.2 Substanzüberlassende sonstige Leistungen durch verfügende Willenserklärung
Rz. 57
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Substanzüberlassende sonstige Leistungen durch verfügende Willenserklärung sind ebenfalls solche durch positives Tun. Sie sind mit der (uneingeschränkten und vorbehaltlosen) Übertragung des Vollrechts bewirkt. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Leistungsempfänger die faktische Herrschaftsbefugnis über das Recht erlangt, es also ausüben kann (analog zur Verschaffung der Verfügungsmacht bei der Lieferung von Gegenständen, auf die neuerdings aber für die Frage des Lieferzeitpunkts ja gerade nicht mehr abgestellt wird, vgl. Rz. 32 ff.). Der Zeitpunkt der späteren tatsächlichen Ausübung des Rechts durch den Leistungsempfänger ist damit ohne Bedeutung.
TIPP
Die Annahme einer Duldungsleistung der Fallgruppe 3 scheidet in diesen Sachverhaltsgestaltungen mangels einer beim Übertragenden verbleibenden Rechtsposition (Endgültigkeit der Übertragung!) aus.
2.5.3 Duldungsleistungen
Rz. 58
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Leistungen, die auf die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung gerichtet sind, haben ein Dulden und damit ein negatives Tun zum Gegenstand.
Rz. 59
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei zeitlich begrenzten Duldungsleistungen ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt, es sei denn, die Beteiligten hätten Teilleistungen vereinbart oder es kommt die Ist-Besteuerung von Anzahlungen zum Tragen (Abschn. 13.1. Abs. 3 S. 2 UStAE). Werden derartige...