Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Vorschrift begünstigt die Beförderung kranker oder verletzter Personen. Krankheit i. S. d. Vorschrift ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht, ohne dass es auf die Dauer des regelwidrigen Zustandes ankommt (vgl. BFH vom 12.08.2004, Az: V R 45/03, BStBl II 2005, 314). Auch körperlich oder geistig behinderte Menschen sind damit kranke Personen i. S. d. Vorschrift, deren Beförderung zur Steuerbefreiung führen kann, soweit dies eine Sonderausrüstung des Fahrzeugs (z. B. für Rollstuhlfahrer) erforderlich macht (vgl. BFH vom 12.08.2004, Az: V R 45/03, BStBl II 2005, 314). Auch die Finanzverwaltung unterstellt nunmehr unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil des BFH nach Abschn. 4.17.2. Abs. 3 UStAE die Beförderung behinderter Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, dem Anwendungsbereich der Norm. Allerdings geht die Verwaltungsauffassung dahingehend nicht weit genug, als zwar im vorliegenden Urteil des BFH die Sonderausrüstung für Rollstuhlfahrer streitgegenständlich war, andere Sonderausrüstungen für die Beförderung behinderter Menschen jedoch denkbar und möglich sind.
Rz. 19
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Beförderung gesunder (Begleit-)Personen fällt damit grds. nicht unter die Steuerbefreiungsvorschrift. Ein ggf. einheitliches Entgelt ist aufzuteilen (OFD Niedersachsen vom 30.05.2011, Az: S 7174 – 9 – St 181, DStR 2011, 1522). Im Falle einer (partiellen) steuerpflichtigen Beförderungsleistung komme dann nach Auffassung der OFD Niedersachsen ggf. die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG in Betracht. Diese Frage war umstritten. Das Sächsische FG hatte in seinem Urteil vom 21.09.2010 (Az: 3 K 2016/07, EFG 2011, 1370) entschieden, dass die in § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 2005 normierte unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung der nicht genehmigungsbedürftigen Personenbeförderungsumsätze im Mietwagenverkehr gegenüber denjenigen im Verkehr mit Taxen weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich zu beanstanden sei. Eine Anwendung der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 2005, der ein drittschützender Charakter beizumessen sei, auf von Mietwagenunternehmen ausgeführte Krankenfahrten im Auftrag von Krankenkassen scheide aus. Die Entscheidung des Sächsischen FG vom 21.09.2010 (Az: 3 K 2016/07, EFG 2011, 1370) war revisionsbefangen. Der BFH hat die Frage des Anwendungsbereichs des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Personenbeförderungsleistungen im Nahverkehr daraufhin dem EuGH (Rs. C-454/12) zur Entscheidung vorgelegt (EuGH-Vorlage des BFH vom 10.07.2012, Az: XI R 39/10, BFHE 239, 164). Mit Urteil vom 27.02.2014 (Az: C-454/12, UR 2014, 490–497) hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des BFH entschieden. Auch der BFH hat zwischenzeitlich in seinem Urteil vom 02.07.2014, Az: XI R 39/10, BStBl II 2015, 421 – unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen FG vom 21.09.2010 (a. a. O.) entschieden, dass der im nationalen Recht vorgesehene ermäßigte Umsatzsteuersatz für Personenbeförderungsleistungen im Nahverkehr durch Taxen unionsrechtskonform ist und grundsätzlich nicht für entsprechende von Mietwagenunternehmern erbrachte Leistungen gilt. Anders könne es jedoch sein, wenn von einem Mietwagenunternehmer durchgeführte Krankentransporte auf mit Krankenkassen geschlossenen Sondervereinbarungen, die ebenfalls für Taxiunternehmer gelten, beruhe. Da den tatsächlichen Feststellungen des FG sich nicht entnehmen lasse, ob und in welchem Umfang die Klägerin die streitbefangenen Krankentransporte auch auf der Grundlage von gleichermaßen für Taxen geltenden Sondervereinbarungen erbracht habe, wurde die Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Rz. 20
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Allerdings weist die OFD Münster in der Kurzinformation Umsatzsteuer Nr. 8/2011 vom 26.04.2011 (StEK UStG § 4 Ziff. 17/18) darauf hin, dass nach den Umständen des Einzelfalles eine unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Beförderungsleistung angenommen werden könne, wenn die Beförderung der Begleitperson aus medizinischen, alters- oder behinderungsbedingten Gründen erforderlich sei.