2.5.1.1 Unternehmerische Tätigkeit im Zusammenhang mit Wertpapierumsätzen
Rz. 84
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei Umsätzen im Geschäft mit Wertpapieren oder Gesellschaftsanteilen i. S. v. § 4 Nr. 8 Buchst. e und f UStG ist zu prüfen, ob diese Umsätze auf eine wirtschaftliche Tätigkeit zurückzuführen sind und damit i. R. d. Unternehmens erfolgen. Denn u. a. bei der erstmaligen Begebung von Aktien und Anteilen liegt grundsätzlich kein steuerbarer Umsatz des Emittenten vor (vgl. EuGH vom 26.05.2005, C-465/03, Kretztechnik, Rn. 24 ff.; EuGH vom 26.06.2003, C-442/01, KapHag, Rn. 39, 43; BFH vom 06.05.2010, V R 29/09, BStBl II 2010, 885, Rn. 29). Entsprechendes gilt auch für die Begebung von Schuldverschreibungen (vgl. EuGH vom 06.02.1997 C-80/95, Harnas & Helm, Rn. 20; BFH vom 06.05.2010, V R 29/09, BStBl II 2010, 885, Rn. 28 ff.).
Rz. 85
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Auch mit dem bloßen Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen oder sonstigen Wertpapieren allein liegt noch keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. EuGH vom 08.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition ApS, Rn. 30; EuGH vom 16.07.2015, C-108/14, Larentia + Minerva, und C-109/14, Marenave, Rn. 19; EuGH vom 29.04.2004, C-77/01, EDM, Rn. 49, 57, 58; EuGH vom 27.09.2001, C-16/00, Cibo Participations, Rn. 19; EuGH vom 14.11.2000, C-142/99, Floridienne und Berginvest, Rn. 17; EuGH vom 06.02.1997 C-80/95, Harnas & Helm, Rn. 15 ff.; BFH vom 09.02.2012, V R 40/10, BStBl II 2012, 844, Rn. 28). Denn der bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen oder auch das Halten dieser Beteiligungen stellen für sich genommen keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dar, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis dieser Beteiligung Ausfluss des bloßen Innehabens des Gegenstands ist (vgl. EuGH vom 16.07.2015, C-108/14, Larentia + Minerva, und C-109/14, Marenave, Rn. 19; EuGH vom 27.09.2001, C-16/00, Cibo Participations, Rn. 19; BFH vom 09.02.2012, V R 40/10, BStBl II 2012, 844, Rn. 28). Etwas anderes gilt aber zumindest dann, wenn eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gegeben ist, die über die Begebung oder den bloßen Erwerb und den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgeht, wie etwa Umsätze bei einem Wertpapiergeschäft im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit wie z. B. dem gewerblichen Wertpapierhandel (vgl. EuGH vom 08.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition ApS, Rn. 33; EuGH vom 29.04.2004, C-77/01, EDM, Rn. 57, 59; EuGH vom 06.02.1997 C-80/95, Harnas & Helm, Rn. 16; Abschn. 2.3. Abs. 3 S. 5 Nr. 1 UStAE).
Rz. 86
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Das Innehaben einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung fällt, neben den Fällen des gewerblichen Wertpapierhandels, jedenfalls dann in den Rahmen des Unternehmens, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung i. Z. m. einer unternehmerischen Tätigkeit erworben, gehalten und veräußert wird (vgl. EuGH vom 08.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition ApS, Rn. 35; EuGH vom 29.10.2009, C-29/08, AB SKF, Rn. 33). Dabei reicht jedoch nicht jeder beliebige Zusammenhang zwischen dem Erwerb und Halten der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Tätigkeit aus. Es muss vielmehr ein erkennbarer, objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen. Das ist i. d. R. der Fall, wenn die Aufwendungen für die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu den Kostenelementen der steuerbaren Ausgangsumsätze gehören (vgl. EuGH vom 16.07.2015, C-108/14, Larentia + Minerva, und C-109/14, Marenave, Rn. 23–25; EuGH vom 26.05.2005, C-465/03, Kretztechnik, Rn. 35–37; BFH vom 06.04.2016, V R 6/14, BStBl II 2017, 577, Rn. 27, 30, 33; Abschn. 2.3. Abs. 4 UStAE; zu weiteren Beispielen der unternehmerischen Tätigkeit i. Z. m. dem Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung vgl. Abschn. 2.3. Abs. 3 S. 5 UStAE). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann sich dieser erkennbare, objektive Zusammenhang aber auch daraus ergeben, dass die Beteiligung durch den Unternehmer zwar zur Erzielung von Kapitaleinkünften gehalten wird, diese Mittel aber konkreten unternehmerischen Finanzierungszwecken oder auch der Stärkung der Kapitaldecke des Unternehmens dienen. Ebenso kann ein solcher objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang vorliegen, wenn der Unternehmer Mittel aus seinem Unternehmen zwar für den Beteiligungserwerb verwendet, die daraus resultierenden Kapitaleinkünfte aber nicht für einen fortlaufenden erneuten Beteiligungserwerb nutzt oder gar entnimmt, sondern für Investitionen in sein Unternehmen nutzt. Denn auch in diesem Fall wird die Beteiligung nicht nur um ihrer selbst willen (bloßer Wille, Dividenden zu erhalten) gehalten, sondern dient der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit (vgl. EuGH vom 11.07.1996, C-306/94, Régie dauphinoise, Rn. 18) bzw. stellt insofern eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit dar (vgl. EuGH vom 08.11.2018, C-502/17, C&D Foods Acquisition ApS, Rn. 33, 38; EuGH vom 29.10.2009, C-29/08, AB SKF, Rn. 51; EuGH vom 29.04.200...