Rz. 49
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Auffassung des FG Berlin-Brandenburg reicht es aus, dass ein Lieferant bei einem EU-Geschäft die USt-IdNr. des Geschäftspartners bei Vertragsschluss überprüft. Wird die USt-IdNr. während der Geschäftsabwicklung ungültig, muss der Händler sich dieses nicht zurechnen lassen (FG Berlin-Brandenburg vom 04.11.2015, 7 K 7283/13).
Sachverhalt
Ein deutscher Kfz-Händler (D) verkaufte ein Fahrzeug an ein spanisches Unternehmen (ES). D behandelte den Umsatz als i. g. Lieferung umsatzsteuerfrei (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG).
Im Abschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) versagte das FA die Steuerbefreiung. Die von ES angegebene USt-IdNr. sei zwar bei Vertragsschluss, nicht aber im (späteren) Lieferzeitpunkt gültig gewesen.
Rz. 50
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
D hat nach Auffassung des FG die nach § 6a Abs. 3 UStG, §§ 17a ff. UStDV Beleg- und Buchnachweise vollständig erbracht. Dem steht nicht entgegen, dass die aufgezeichnete USt-IdNr. zur Zeit der Lieferung nicht mehr galt. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte die D alle für den Beleg- und Buchnachweis erforderlichen Angaben erfasst (Besprechungsurteil, Rz. 35).
Rz. 51
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Vertragsschluss erfolgte mit der Bestätigung des Geldeinganges durch die Pro-Forma-Rechnung und der Bereitstellung des Fahrzeugs zur Abholung. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt hatte sich D vertraglich gebunden, das Fahrzeug an ES zum vereinbarten und schon erhaltenen Preis zu liefern. Mit der Abfrage der USt-IdNr. beim BZSt hat D zu diesem Zeitpunkt alles getan, um die erforderlichen Angaben zu ermitteln. Zudem galt die USt-IdNr. auch an diesem Tag noch. Es war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für D nicht möglich zu erkennen, dass sich dies zukünftig ändern werde.
Rz. 52
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Allein das Auseinanderfallen von Vertragsschluss und Lieferzeitpunkt verpflichtet den Lieferer nicht, die beim Vertragsschluss korrekten Angaben insbesondere zur Umsatzsteueridentifikationsnummer erneut und gegebenenfalls laufend in ganz kurzen Abständen zu überprüfen (Besprechungsurteil, Rz. 37).
Rz. 53
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dies wäre dann anders, wenn
- der Lieferer Anhaltspunkte für eine Änderung der Angaben hat; diesen müsste er dann nachgehen oder
- zwischen Vertragsschluss und Lieferung eine größere Zeitspanne liegt. Eine Zeitspanne von – wie im Streitfall – elf Tagen (davon neun Tage zwischen Vertragsschluss und Liefertag) reicht dafür aber nach Ansicht des Senats nicht aus. Welche Zeitspanne ausreichen würde, lässt das Gericht offen (Besprechungsurteil, Rz. 38).
Rz. 54
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das FG hat Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, weil die Einzelheiten zur Aufzeichnungspflicht der USt-IdNr. nebst der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG bei Wegfall der USt-IdNr. während der Abwicklung des Geschäfts noch nicht im Einzelnen geklärt sind (Besprechungsurteil, Rz. 45). Die Finanzverwaltung hat darauf – soweit ersichtlich – verzichtet. In diesem Verzicht steckt eine große Aussagekraft. Rechnet die Finanzverwaltung nämlich mit einer für sie negativen Entscheidung des BFH, vermeidet sie es gerne, dass ein Streitfall daraus entsteht, verzichtet auf Rechtsmittel und wendet die – wahrscheinlich falsche, aber profiskalische – Rechtsauffassung weiter an.
Rz. 55
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Besprechungsurteil ist das erste zu diesem Problembereich; die Rechtsauffassung ist damit alles andere als gesichert. Das Urteil sollte daher nur als Rettungsanker gesehen werden – und keinesfalls als "Freibrief" zur Einsparung von Prüfungshandlungen des Lieferanten:
- Ein vorsichtiger Unternehmer sollte damit auch weiterhin die USt-IdNr. bei der Lieferung – und damit i. d. R. ein zweites Mal – prüfen.
- Nur dann, wenn diese zweite Prüfung im Ausnahmefall einmal nicht erfolgt ist oder sich sonstige Unregelmäßigkeiten ergeben, sollte man sich des Urteils erinnern.
Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Gerichte diesen Gedanken aufnehmen.
Rz. 56
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das FG weist hilfsweise darauf hin, dass nach der EuGH- und BFH-Rechtsprechung die Steuerbefreiung nicht allein wegen des Fehlens der Aufzeichnung einer USt-IdNr. ohne weiteres hätte versagt werden dürfen (Besprechungsurteil, Rz. 39 f.) und ggf. auch Vertrauensschutz zu gewähren wäre (Besprechungsurteil, Rz. 41 f.).