Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
Rz. 168
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Nichtsteuerbarkeit einer GiG nach § 1 Abs. 1a UStG setzt grundsätzlich voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen (vgl. Rz. 171 ff.) oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (vgl. Rz. 183 ff.) veräußert werden (Abschn. 1.5 UStAE).
Rz. 169
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Eine nicht steuerbare GiG kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist (BFH vom 01.08.2002, Az: V R 17/01, BStBl II 2004, 626). Aus dem zuvor genannten Urteil ergibt sich nicht der Umkehrschluss, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1a UStG dann nicht erfüllt ist, wenn im Rahmen einer Geschäftsveräußerung einzelne Betriebsgrundlagen nicht auf den Fortführer übertragen werden (BFH vom 18.08.2008, Az: XI B 192/07, BFN/NV 2008, 2065).
Rz. 170
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Eine GiG liegt auch dann vor, wenn der Erwerber das Unternehmen in veränderter Form fortführt bzw. zumindest fortführen kann. Die Fortführung erfordert dennoch eine Kontinuität der Betriebsführung und damit eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den vor und nach Übereignung ausgeübten Tätigkeiten (BFH vom 28.11.2002, Az: V R 3/01, BStBl II 2004, 665 und vom 24.02.2005, Az: V R 45/02, BStBl II 2007, 61). Eine GiG kann ferner auch dann vorliegen, wenn der Erwerber mit dem Erwerb des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs seine unternehmerische Tätigkeit beginnt oder diese nach dem Erwerb in veränderter Form fortführt, nicht jedoch, wenn er beabsichtigt, die übernommene Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln (EuGH vom 27.11.2003, Rs. C-497/01, HFR 2004, 402). Ändert der Erwerber seine Verwendungsabsicht hinsichtlich des erworbenen Unternehmens, ist auf die bei der Übertragung bestehende Absicht abzustellen (OFD Hannover vom 31.05.2006, Az: S 7100 b – 1 – StO 171). Wegen der Bedeutung dieser Aussage einige Beispiele:
Beispiel 1:
V vermietet ein Bürogebäude an M, ein Handelsunternehmen. Er veräußert es an M, der das Gebäude weiterhin für sein Handelsunternehmen nutzt.
Lösung:
Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Die von M ausgeübte Handelstätigkeit ist keine Fortführung der Vermietungstätigkeit des V.
Beispiel 2:
V errichtet ein Gebäude, in der Absicht, es zu vermieten. Da er keine Mieter findet, veräußert er es an E.
Lösung:
Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor, wenn E die Absicht hat, das Gebäude zu vermieten. Es ist unschädlich, dass V das Unternehmen in der Gründungsphase veräußert hat (BFH vom 08.03.2001, Az: V R 24/98, BStBl II 2003, 430). Es liegt jedoch keine Geschäftsveräußerung vor, wenn E nicht die Absicht hat, das Gebäude zu vermieten, sondern es z. B. als Geschäftsgebäude für sein Unternehmen zu nutzen (vgl. Beispiel 1).
Beispiel 3:
V betreibt ein auf ein Großprojekt beschränktes Bauträgerunternehmen. Er erwirbt ein Grundstück und bebaut es. Um es möglichst gut veräußern zu können, sucht er Mieter und schließt mit ihnen Mietverträge ab. Er veräußert das Grundstück an M, der die Büros vermietet.
Lösung:
Es liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Die Bauträgertätigkeit des V führt M nicht fort. M ist vielmehr als Vermieter tätig (BFH vom 24.02.2005, Az: V R 45/02, BStBl II 2007, 61).
Beispiel 4:
V vermietet seit Jahren ein Grundstück. Er veräußert es an E. E beabsichtigt, die Vermietungstätigkeit dauerhaft fortzuführen. Um einer drohenden Enteignung zu entgehen, veräußert er das Grundstück drei Jahre nach dem Erwerb.
Lösung:
Es liegt eine Geschäftsveräußerung vor. E führt die Vermietungstätigkeit fort. Die spätere Veräußerung war ursprünglich nicht beabsichtigt und ist deshalb unbeachtlich. Wegen der Geschäftsveräußerung ist auf die bei der Übereignung bestehende Absicht abzustellen.
Beispiel 5:
Überträgt ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten, liegt darin eine GiG, wenn das Grundstück alleiniger Vermietungsgegenstand war (BFH vom 06.09.2007, Az: V R 41/05, BStBl II 2008, 65). (Hinweis: Es handelt sich hierbei nicht um eine steuerfreie Wertabgabe i. S. v. § 4 Nr. 9a UStG, sodass es auch nicht zu einer Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG als Folge einer Nutzungsänderung kommt.)
Beispiel 7:
Die Veräußerung einer vermieteten bzw. verpachteten Immobilie ist umsatzsteuerlich auch dann eine GiG, wenn der Erwerber ni...