Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
Rz. 172
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch ein einzelnes Grundstück kann wesentliche Betriebsgrundlage sein (Abschn. 1.5 Abs. 4 S. 3 UStAE). Sofern das verkaufte Grundstück den Rahmen des Unternehmens bildete, werden die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens veräußert. Bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG liegt eine nicht steuerbare GiG vor. Eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG durch Übertragung eines vermieteten oder verpachteten bebauten Grundstücks liegt auch dann vor, wenn dieses nur teilweise vermietet oder verpachtet ist, die nicht genutzten Flächen aber zur Vermietung oder Verpachtung bereitstehen, da hinsichtlich dieser Flächen auf die Fortsetzung der bisherigen Vermietungsabsicht abzustellen ist. Für die Fortführung einer selbstständigen wirtschaftlichen Vermietungstätigkeit durch den erwerbenden Unternehmer reicht es aus, wenn dieser einen Mietvertrag übernimmt, der eine nicht unwesentliche Fläche der Gesamtnutzfläche des Grundstücks umfasst (BFH vom 30.04.2009, Az: V R 4/07, BStBl II 2009, 863; Abschn. 1.5 Abs. 2 S. 3 UStAE).
Überträgt ein Veräußerer ein verpachtetes Geschäftshaus und setzt der Erwerber die Verpachtung nur hinsichtlich eines Teils des Gebäudes fort, liegt hinsichtlich dieses Grundstücksteils eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG vor. Dies gilt unabhängig davon, ob der verpachtete Gebäudeteil "zivilrechtlich selbstständig" ist oder nicht (BFH vom 06.07.2016, Az: XI R 1/15, BStBl II 2016, 909).
Rz. 173
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sofern das verkaufte Grundstück jedoch nur einen Teil des Unternehmens umfasst, wird allenfalls ein Teil der wesentlichen Grundlagen des Unternehmens veräußert. Eine nicht steuerbare GiG ist nur dann anzunehmen, wenn es einen gesondert geführten Betrieb (vgl. Rz. 183 ff.) darstellt. Allerdings ist ein Grundstück kein gesondert geführter Betrieb, wenn er keinen für sich lebensfähigen Organismus bildet, der nach außen hin ein selbstständiges, in sich abgeschlossenes Wirtschaftsgebilde gewesen ist. Dies ist z. B. der Fall bei einem Unternehmer der neben anderen Tätigkeiten ein unbebautes Grundstück mit dem Ziel erwirbt, ein Gebäude zu errichten, Mieter zu beschaffen und anschließend das nun bebaute Grundstück zu veräußern. Hier mangelt es an der Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen, da das Grundstück nicht dem Unternehmen diente, um als Anlagevermögen für längere Zeit zur Verfügung zu stehen. Stattdessen ist es nur notwendig gewesen, um darauf ein Gebäude errichten zu können. Das Grundstück wird also zum Zwecke der alsbaldigen Veräußerung erworben und hat damit den Charakter von Vorratsvermögen. In diesen Fällen ist von einer steuerbaren Lieferung auszugehen (OFD Münster vom 06.11.2006, Az: S 7100b – 132 – St 44–32, Tz. 2).
Rz. 174
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Lieferung lediglich eines Grundstücks, also eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks, stellt i. d. R. ebenfalls keine GiG, sondern eine steuerfreie Grundstücksübertragung nach § 4 Nr. 9a UStG dar (BFH vom 11.10.2007, Az: V R 57/06, BStBl II 2008, 447; Abschn. 1.5 Abs. 2 S. 1 UStAE). Nach gemeinschaftsrechtlich geprägtem Verständnis erfordert die GiG die Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit durch den Erwerber. Deshalb ist die Übertragung eines bislang vermieteten Grundstücks grundsätzlich keine GiG, wenn die Mietverhältnisse nicht übergehen, das übertragene Grundstück also unvermietet ist, selbst wenn die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers ausschließlich in dieser Vermietungstätigkeit bestand und der Erwerber alsbald einen neuen Mieter findet. Die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks führt also i. d. R. nicht zu einer Übertragung eines Unternehmensanteils, mit dem eine selbstständige Tätigkeit fortgeführt werden kann, sondern zur Übertragung eines einzelnen Vermögensgegenstandes.
TIPP
In diesem Fall ist eine GiG erreichbar, wenn nach Ablauf der Mietverhältnisse noch der Grundstücksveräußerer die Neuvermietung vornimmt und der Erwerber in den neuen Mietvertrag eintritt.
Im Fall einer an sich steuerfreien Grundstücksübertragung nach § 4 Nr. 9a UStG kann gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung verzichtet werden. Dies ermöglicht andererseits die Nutzung des Vorsteuerabzuges.
Rz. 175
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gem. BFH (Urteil vom 06.05.2010, Az: V R 25/09, BFH/NV 2010, 1873) kann aufgrund besonderer Umstände eine nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare GiG durch Grundstücksübertragung i. R. d. erforderlichen Gesamtwürdigung auch dann vorliegen, wenn auf den Erwerber kein bestehender Mietvertrag übergeht (Abgrenzung zu BFH vom 11.10.2007, Az: V R 57/06, BStBl II 2008, 447). Dies kann der Fall sein, wenn der Alteigentümer
- den mit einer GmbH bestehenden Mietvertrag kündigt;
- das unvermietete Grundstück auf den Geschäftsführer und Alleingesellschafter der GmbH überträgt;
- das Unternehmen der GmbH übernimmt;
- mit dem Erwerber des Grundstücks (Geschäftsführer und Alleingesellschafter der GmbH) einen neuen Mietvertrag...