Dipl.-Betriebsw. Karl Birgel
Rz. 185
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der persönliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1a UStG bezieht sich nur auf Unternehmer i. S. d. § 2 UStG und damit auf jeden, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Unternehmen und Unternehmereigenschaft erlöschen erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem aufgegebenen Betrieb im Zusammenhang stehen.
Rz. 186
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1a UStG setzt den Übergang der Wirtschaftsgüter "im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen" voraus. Die GiG bedingt damit, dass der Veräußerer diese im Rahmen eines einheitlichen Übertragungsvorgangs an einen Erwerber überträgt.
TIPP
Die Veräußerung eines Unternehmens an zwei getrennte Erwerber, selbst im Rahmen eines Kaufvertrages, ist schädlich i. S. dieser Vorschrift.
Zum Betriebsvermögen eines Spediteurs gehören zwei Lkw. Ein Lkw wird an Käufer A, ein Lkw an Käufer B verkauft. Andererseits: Eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 UStG kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist (BFH vom 01.08.2002, Az: V R 17/01, BStBl II 2004, 626; Abschn. 1.5 Abs. 5 S. 1 UStAE).
Rz. 187
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach richtlinienkonformer Auslegung des Art. 19 MwStSystRL wird gefordert, dass der Veräußerer eine organisatorische Zusammenfassung von Sachen und Rechten (vgl. mit dem ertragsteuerlichen Begriff des Teilbetriebes) veräußert/überträgt, wodurch dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ermöglicht wird. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a S. 2 UStG steht nicht mehr entgegen, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden (BFH vom 15.10.1998, Az: V R 69/97, BStBl II 1999, 41; vom 01.08.2002, Az: V R 17/01, BStBl II 2004, 626). Hierzu gehören z. B. insbesondere Betriebsgrundstücke, die nicht auf den Erwerber übertragen, diesem aber durch ein langfristiges Nutzungsrecht überlassen werden, sodass damit die dauerhafte Fortführung des Unternehmens ermöglicht wird (BFH vom 28.11.2002, Az: V R 3/01, BStBl II 2004, 665), z. B. Vermietung über acht Jahre (BFH vom 23.08.2007, Az: V R 14/05, BStBl II 2008, 165; Abschn. 1.5 Abs. 3 S. 3 UStAE).
Rz. 188
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Diese Problematik ist häufig im Zusammenhang mit einem häuslichen Arbeitszimmer anzutreffen.
Ein Steuerberater mit eigener Kanzlei und zusätzlich genutztem häuslichen Arbeitszimmer will seine Praxis veräußern. Das Arbeitszimmer ist notwendiges Betriebsvermögen, soll aber aus verständlichen Gründen nicht übertragen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob trotz der Nichtveräußerung des Arbeitszimmers eine GiG i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG vorliegt oder ob die Veräußerung der Umsatzsteuer unterliegt. Voraussetzung für die Annahme einer GiG ist, dass (im Prinzip) alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übergehen (durch Veräußerung und ggf. Verpachtung; siehe vorheriges Beispiel zu verpachtetem Betriebsgrundstück).
Lösung:
Die Umsatzsteuer folgt hier dem Zivilrecht bzw. Ertragsteuerrecht. Der veräußernde Unternehmer muss den Rechtszustand, den er hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen innehat, auf den Erwerber übertragen. Für den konkreten Fall das Arbeitszimmers bedeutet dies: Die Nichtmitveräußerung des häuslichen Arbeitszimmers ist bezogen auf die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung dann schädlich, wenn die Kanzlei ohne das häusliche Arbeitszimmer nicht oder nur mit Mühe fortgeführt werden kann, sie ist unschädlich, wenn die Arbeiten ohne wesentliche Einschränkung in den übrigen Praxisräumen verrichtet werden können.
Rz. 189
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der veräußernde Unternehmer kann auch nach der GiG noch Leistungen für die abschließende Beendigung seiner Unternehmertätigkeit empfangen und aus Eingangsrechnungen die Vorsteuerbeträge abziehen.
Rz. 190
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei der Veräußerung eines gesondert geführten Betriebs bleibt der Unternehmer mit seiner übrigen Tätigkeit weiterhin Unternehmer. Gleiches gilt beim bloßen Wechsel der unternehmerischen Tätigkeit.
Rz. 191
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Finanzverwaltung hält an der bisher vertretenen Auffassung, dass eine nichtsteuerbare GiG den Übergang eines gesamten lebenden Unternehmens erfordert und somit die eines "erfolglosen Unternehmers" nicht möglich ist, nicht mehr fest (OFD Chemnitz vom 13.05.2002, Az: S 7100b – 8/1 – St 23).