Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 165
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt. (Hinweis: für das Streitjahr 1998 galt im Urteilsfall freilich noch der – insoweit identische – § 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. a UStG.) Einen Tatbestand einer unentgeltlichen Wertabgabe kann der Erblasser nach dem Tode nicht mehr verwirklichen; eine willentliche Entnahmehandlung ist nicht mehr möglich. Deshalb ist zu prüfen, ob die Erben den Tatbestand einer unentgeltlichen Wertabgabe erfüllen können.
Rz. 166
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Art. 16 S. 1 MwStSystRL ist es nicht zulässig, dass ein Stpfl., der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes die Umsatzsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Umsatzsteuer dadurch entgeht, dass er den Gegenstand aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt; ein Unternehmer würde so einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher erhalten. Gleiches gilt nach dem Besprechungsurteil auch für einen Erben, der eben diesen ungerechtfertigten Vorteil durch den Erbfall erlangen würde. Der Erbe muss sich daher bei der Verwertung des Nachlassgegenstandes wie ein Unternehmer behandeln lassen. Der Erbe verwirklicht mit dem Ende der Unternehmensbindung den Tatbestand einer unentgeltlichen Wertabgabe, wenn er das Unternehmen des Erblassers nicht fortführt und den Nachlassgegenstand für private Zwecke verwendet. Umgekehrt verbietet es sich, zeitgleich mit dem Erbfall eine die Umsatzsteuer auslösende Entnahme aller Unternehmensgegenstände anzunehmen, weil dem Erben erst die Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu entscheiden, ob er das Unternehmen des Erblassers fortführen wird oder nicht. Auch wenn der Erbe nicht allein aufgrund der Erbfolge zum Unternehmer wird, gehen nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz die Rechte und Pflichten aus den bestehenden umsatzsteuerlichen Rechtsverhältnissen auf den Erben über. Im Urteilsfall hat die Erbengemeinschaft mit dem Verkauf des Pkw damit nicht selbst als Unternehmer gehandelt. Die umsatzsteuerliche "Verhaftung" des Pkw führt aber zur Verpflichtung der Erbengemeinschaft, den Pkw entweder weiter zu unternehmerischen Zwecken zu nutzen oder eine entsprechende Entnahmeversteuerung vorzunehmen.
Rz. 167
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Strittig ist, ob einer Entnahmebesteuerung entgegensteht, dass Art. 18 Buchst. c MwStSystRL vom deutschen Gesetzgeber nicht ausdrücklich in das UStG transformiert wurde. Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz ist der Richtlinienbestimmung lediglich eine klarstellende (deklaratorische) Bedeutung beizumessen. Die Mitgliedstaaten können einer Lieferung gegen Entgelt den Besitz von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen oder seine Rechtsnachfolger bei Aufgabe seiner der Steuer unterliegenden wirtschaftlichen Tätigkeit gleichstellen, wenn diese Gegenstände bei ihrer Anschaffung oder bei ihrer Verwendung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Diese Bestimmung stütze lediglich die Auffassung von Stadie (Umsatzsteuerrecht, Rz. 5157), dass durch den bloßen Besitz von Wirtschaftsgütern, die beim Erblasser von der Vorsteuer entlastet wurden, der Tatbestand einer unentgeltlichen Wertabgabe noch nicht verwirklicht worden ist. Letzteres erfolgt erst durch eine Verwendung für unternehmensfremde Zwecke – im Urteilsfall die Veräußerung des Pkw. Nach Klenk (in S/R, § 1 Rz. 480) dagegen behält der Erbe den Vorsteuerabzug, da Art. 18 Buchst. c MwStSystRL gerade keine nur deklaratorische Bedeutung beizumessen sei und der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, derartige Vorgänge zu besteuern, keinen Gebrauch gemacht hat.