Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
2.8.1 Leistungsaustausch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter
Rz. 170
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft können ihren Grund entweder im gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis oder in einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft danach,
- ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden, oder
- um Leistungen, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind.
Rz. 171
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Steuerbare entgeltliche Leistungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind damit gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen eines Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen und auf den Austausch der Leistungen des Gesellschafters gegen Entgelt gerichtet sind (BFH vom 10.05.1990, Az: V R 47/86, BStBl II 1990, 757; vom 05.05.1994, Az: V R 76/92, BFH/NV 1995, 356; vom 24.08.1994, Az: XI R 74/93, BStBl II 1995, 150; vom 08.11.1995, Az: V R 8/94, BStBl II 1996, 176, unter II. 1., m. w. N.). Diese Unterscheidung entspricht der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 27.01.2000, Rs. C-23/98, Heerma, UR 2000, 121, Rz. 13). Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung in Abschn. 1.6 UStAE übernommen.
2.8.2 Prüfungsschema "Gesellschafter-Geschäftsführer-Leistungen"
Rz. 172
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Finanzverwaltung geht – im Einklang mit der neuen Rechtsprechung – nunmehr von folgender Prüfungsreihenfolge aus:
- Unternehmereigenschaft: Ist der Gesellschafter selbst unternehmerisch tätig? Erfüllt er in seiner Person die Voraussetzungen des § 2 UStG, d. h. erbringt er die Gesellschafter-Geschäftsführer-Leistungen insbesondere selbstständig? Wenn ja:
- Leistungsaustausch: Erbringt der Gesellschafter die Leistungen auch i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 UStG im Leistungsaustausch gegen Entgelt?
2.8.3 Selbstständigkeit natürlicher Personen als Gesellschafter-Geschäftsführer
Rz. 173
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Natürliche Personen, die als Gesellschafter Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen ausführen, werden unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG selbstständig tätig (BMF vom 31.05.2007, BStBl I 2007, 503, Rz. 2).
Rz. 174
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 1 UStAE); dabei ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend (Abschn. 2.2. Abs. 1 S. 5 UStAE).
Beispiel 1:
Dem Komplementär einer aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft (KG) obliegt die Führung der Geschäfte und die Vertretung der KG; diese Tätigkeit wird mit seinem nach der Anzahl der Gesellschafter und deren Kapitaleinsatz bemessenen Anteil am Ergebnis (Gewinn und Verlust) der KG abgegolten.
Lösung:
Der Komplementär ist selbstständig tätig. Auch ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Weisungsrecht der KG gegenüber ihrem Gesellschafter führt nicht zu einer Weisungsgebundenheit i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Rz. 175
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch Geschäftsführungsleistungen eines GmbH-Geschäftsführers können in diesem Sinne selbstständig sein; die Organstellung des GmbH-Geschäftsführers steht dem nicht entgegen (Abschn. 2.2. Abs. 2 S. 4 und 5 UStAE; so bereits BMF vom 21.09.2005, Az: IV A 5 – S 7104 – 19/05, BStBl I 2005, 936).
Rz. 176
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für die Beurteilung, ob die Tätigkeit nichtselbstständig i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeübt wird, können die in H 19.0 [Allgemeines] LStH 2023 genannten Kriterien sinngemäß herangezogen werden (BMF vom 31.05.2007, BStBl I 2007, 503, Rz. 3). H 19.0 LStH 2023 nennt u. a. folgende Kriterien: persönliche Abhängigkeit, feste Arbeitszeiten, kein Unternehmerrisiko, keine Unternehmerinitiative, Ortsgebundenheit, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Fortzahlung im Krankheitsfall, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht des Arbeitserfolges.
Beispiel 2:
Der Aktionär einer Aktiengesellschaft (AG) erhält von dieser eine Tätigkeitsvergütung für seine Geschäftsführungsleistung gegenüber der AG. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsvertrag geschlossen, der u. a. Urlaubsanspruch, feste Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Weisungsgebundenheit regelt und bei Anwendung der für das Ertrag- und Umsatzsteuerrecht einheitlichen Abgrenzungskriterien zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führt.
Lösung:
Der Aktionär ist auch umsatzsteuerrechtlich nicht selbstständig (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG) tätig.
Rz. 177
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die nach denselben Grundsätzen zu beurteilende Frage der Selbstständigkeit oder Nichtselbstständigkeit natürlicher Personen führt bei zutreffender rechtlicher Würdigung regelmäßig ertragsteuerrechtlich und umsatzsteuerrechtlich zu gleichen Ergebnissen. Dies gilt jedoch nicht, wenn Vergütungen für die Ausübung einer bei Anwendung dieser Grundsätze nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit in ertragsteuerlicher Hinsicht aufgrund der Sonderregelung des § 15 Abs. 1 S. 1...