Rz. 56
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 6 Abs. 1 S. 2 UStG ist es für die Steuerbefreiung unschädlich, wenn der Gegenstand der Lieferung vor der Ausfuhr durch Beauftragte (einer oder mehrere) be- oder verarbeitet wird. Die Be- oder Verarbeitung kann dabei sowohl im Inland als auch in einem anderen EU-Mitgliedstaat erfolgen (vgl. Abschn. 6.1. Abs. 5 S. 1 UStAE). Der Begriff der "Be- oder Verarbeitung" ist im Gesetz nicht näher definiert, er ist daher nach der allgemeinen Verkehrsauffassung auszulegen und umfasst jede Form der Einwirkung auf den Gegenstand der Ausfuhrlieferung (vgl. BFH vom 30.09.1999, Az: V R 77/98, BStBl II 2000, 14 – für den Begriff der Bearbeitung i. Z. m. einer Lohnveredelung). Bei dem Beauftragten kann es sich nur um einen solchen des Abnehmers oder eines folgenden Abnehmers handeln (vgl. Abschn. 6.1. Abs. 5 S. 2 UStAE). Dabei muss derjenige, der den Auftrag erteilt, nur Abnehmer, nicht auch ausländischer Abnehmer sein (vgl. Abschn. 6.1. Abs. 5 S. 5 UStAE). Zu aktuellen Entwicklungen vgl. von Streit in UStB 2015, 105 ff. In Fällen der Be- oder Verarbeitung vor der Ausfuhr ergeben sich weitere Nachweisverpflichtungen für den Unternehmer (§§ 8 Abs. 2, 11 UStDV).
Rz. 57
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hat jedoch der Lieferer oder ein vorangegangener Lieferer die Be- oder Verarbeitung in Auftrag gegeben, ändert sich dadurch der Gegenstand der Lieferung. Dieser bereits veränderte Gegenstand ist der Gegenstand der Lieferung i. S. d. § 6 Abs. 1 UStG, auf ihn beziehen sich die Nachweispflichten (§§ 8 Abs. 1, 9, 10 UStDV).
Unternehmer U betreibt eine Tuchweberei für Leinenstoffe. An den im Drittlandsgebiet ansässigen Abnehmer A verkauft U Leinenstoffe, die nach Wunsch des Kunden blau gefärbt sein sollen. Nach der Färbung sollen die Stoffe in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.
Variante 1: U verpflichtet sich, die fertig gefärbten Stoffe zu liefern, er beauftragt die Färberei F mit der Einfärbung.
Variante 2: U verpflichtet sich lediglich zur Lieferung naturfarbener Stoffe, der Abnehmer A beauftragt die Färberei F mit der Färbung, der er auch die erforderliche Spezialfarbe zur Verfügung stellt.
Lösung:
Variante 1: Gegenstand der Lieferung und damit auch der Ausfuhr sind die fertig gefärbten Stoffe. Ein Fall des § 6 Abs. 1 S. 2 UStG liegt nicht vor, die Einfärbung (Bearbeitung) der Stoffe hat zur Herstellung des Liefergegenstandes auf Seiten des U gedient. U muss den normalen Ausfuhrnachweis führen (§ 8 Abs. 1, 9, 10 UStDV).
Variante 2: Gegenstand der Lieferung des U ist in diesem Fall der naturfarbene Stoff. Dieser wird jedoch nicht unmittelbar ausgeführt, sondern in veränderter Form. Für U ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass die Be- oder Verarbeitung nach § 6 Abs. 1 S. 2 UStG zwar grundsätzlich für die Steuerfreiheit seiner Lieferung i. S. d. § 6 Abs. 1 UStG unschädlich ist, er aber zwei Nachweise zu erbringen hat. Einerseits muss U nach § 8 Abs. 1 UStDV nachweisen, dass der Gegenstand seiner Lieferung ausgeführt wurde (Beleg nach §§ 9 oder 10 UStDV), andererseits erweitert § 8 Abs. 2 UStDV seine Nachweisverpflichtung auch auf die Be- oder Verarbeitung. Diese muss sich aus den Ausfuhrbelegen ergeben. Zu diesem Zweck muss der Ausfuhrbeleg nach § 11 UStDV Angaben über den/die Beauftragten enthalten (zu Einzelheiten vgl. Abschn. 6.8. UStAE; wegen der Erweiterung des Buchnachweises vgl. Abschn. 6.10. Abs. 5 S. 2, 3 UStAE).
Rz. 58
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die durch den selbstständigen Beauftragten des Abnehmers erbrachte Leistung fällt i. d. R. als Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr, unter den weiteren Voraussetzungen des § 7 UStG, ebenfalls unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG. Fraglich ist dies jedoch, wenn der liefernde Unternehmer die Be- oder Verarbeitung an einen Subunternehmer vergeben hat. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 7.