3.2.1 Statt eines Auffangtatbestands nunmehr zwei Auffangtatbestände
Rz. 17
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bis zum 31.12.2009 kennt das Recht neben den besonderen Ortbestimmungen einen Auffangtatbestand, der immer dann zur Anwendung kommt, wenn keine der besonderen Vorschriften greift. Gem. § 3a Abs. 1 UStG a. F. ist der Leistungsort dann dort, wo der (leistende) Unternehmer sein Unternehmen betreibt, oder an der Betriebsstätte, von der die Leistung ausgeführt wird (Ursprungslandprinzip). Diese Regel wird vom deutschen Leistenden (und natürlich seinem Steuerberater) gerne angewandt, da der Umsatz in diesem Fall nach deutschem Recht zu beurteilen ist und die aufwendige Prüfung, ob und was im EU-Ausland zu veranlassen ist, entfällt. Ungern angewandt wird dagegen derzeit die Ortsregelung für die Katalogleistungen (§ 3a Abs. 4, Abs. 3 UStG a. F.), da diese dem Bestimmungslandprinzip folgt und damit ebendiese aufwendige Prüfung erfordert.
Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Seit dem 01.01.2010 sind nebeneinander zwei Auffangtatbestände anzuwenden:
- Im B2C-Bereich (vereinfacht ausgedrückt: bei Leistungen "an Privat") gilt unverändert das Ursprungslandprinzip (§ 3a Abs. 1 UStG).
- Für den B2B-Bereich (vereinfacht ausgedrückt: bei Leistungen "an andere Unternehmer") wurde der Wortlaut von § 3a Abs. 3 S. 1 und 2 UStG in den neuen Auffangtatbestand des § 3a Abs. 2 UStG übernommen. Insoweit gilt also das – bislang so ungern gesehene – Bestimmungslandprinzip! Für sich betrachtet wäre diese Nachricht eine schlechte für die Dienstleister, da bei Erbringung von Umsätzen an andere Unternehmer im EU-Ausland ebendort eine (de facto teure) Registrierung erforderlich würde. Letztere wird aber durch eine flankierende Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens vermieden. Auf die leistenden Unternehmer kommen allerdings neue Erklärungspflichten zu; so wird zukünftig eine "innergemeinschaftliche Dienstleistung" in der Zusammenfassenden Meldung zu deklarieren sein.
3.2.2 Neuer Auffangtatbestand de facto Regelleistungsort für Leistungen an andere Unternehmer
Rz. 19
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die meisten Sondervorschriften nehmen die Dienstleistungen an andere Unternehmer durch folgende Formulierung aus ihrem Regelungsbereich heraus: "... Empfänger weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist [...]" In diesem Fall greift dann der neue Auffangtatbestand des § 3a Abs. 2 UStG!
HINWEIS
Damit definiert das Bestimmungslandprinzip im B2B-Bereich den Regelleistungsort!
3.2.3 Ausweitung des Reverse-Charge-Verfahrens
Rz. 20
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für sich betrachtet wäre die Nachricht von der grundsätzlichen Verlagerung des Leistungsorts von B2B-Umsätzen ins Bestimmungsland eine schlechte für die Dienstleister, da bei Erbringung von Umsätzen an andere Unternehmer im EU-Ausland ebendort eine (de facto teure) Registrierung erforderlich würde. Letztere wird aber durch eine flankierende Ausweitung des Reverse-Charge-Verfahrens vermieden.
3.2.4 In Teilbereichen weiter "Insellösungen" und Regelungsvielfalt
Rz. 21
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Art. 196 MwStSystRL greift die o. g. Reverse-Charge-Regelung beim unternehmerischen Leistungsempfänger grundsätzlich, wenn dieser in diesem EU-Mitgliedstaat steuerlich erfasst ist. Das Reverse-Charge-Verfahren greift jedoch in den anderen EU-Mitgliedstaaten nur zwingend bei solchen Dienstleistungen, die in Art. 44 der MwStSystRL n. F. genannt sind.
TIPP
Das sind in der Praxis alle Fälle, auf die in Deutschland § 3a Abs. 2 UStG Anwendung findet!
Rz. 22
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für alle übrigen Dienstleistungen, für die besondere Ortsvorschriften gelten, ist das Verfahren nicht zwingend vorgeschrieben. Dies gilt leider auch ab 2010. Allerdings bleibt es den Mitgliedstaaten freigestellt, auch in anderen Fällen das Reverse-Charge-Verfahren vorzusehen. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die EU-Mitgliedstaaten, die die Reverse-Charge-Regelung bisher nicht für alle Dienstleistungen vorgesehen haben, dies nun zur Erleichterung der Wirtschaft ab 01.01.2010 einführen werden.
HINWEIS
Unternehmer werden daher vorerst auch zukünftig nicht umhinkommen, sich über die umsatzsteuerliche Behandlung im anderen Mitgliedstaat entsprechend zu informieren. Hier sind auch weiterhin die bisherigen Prüfungen anzustellen (ausführlich Weimann, UidP, Kap. 79).
3.2.5 Neue Erklärungspflichten in der Zusammenfassenden Meldung und der Umsatzsteuer-Voranmeldung
Rz. 23
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für die leistenden Unternehmer ergeben sich aus den neuen Ortbestimmungen zusätzliche Erklärungspflichten. Zukünftig ist eine "innergemeinschaftliche Dienstleistung" in der Zusammenfassenden Meldung zu deklarieren; die Überwachung der sonstigen Leistungen geht damit in das i. g. Kontrollverfahren ein. Flankierend sind daher – wie bei den i. g. Warengeschäften – zusätzlichen Angaben in der UStVA zu machen (ausführlich Weimann, UidP, Kap. 58 und 59).