Rz. 73
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Am 17.05.1977 wurde die 6. EG-RL verabschiedet, die mit dem UStG 1980 in nationales Recht umgesetzt wurde. Seitdem ist das Umsatzsteuerrecht der EU-Mitgliedstaaten weitestgehend harmonisiert. Am 16.12.1991 wurde die RL 91/680/EWG verabschiedet, die im Wesentlichen die 6. EG-RL dahingehend ergänzte, dass ab dem 01.01.1993 die Einfuhrumsatzsteuer im Wirtschaftsverkehr der EU-Mitgliedstaaten nicht mehr erhoben wird und für den i. g. Handel eine Übergangsregelung gilt. Fernziel der Übergangsregelung deren (Fern-)Ziel ist es, auf europäischer Ebene einen grenzüberschreitenden Vorsteuerabzug zu erreichen. Diese Überlegungen scheitern derzeit daran, dass ungeklärt ist, wie ein finanzieller Ausgleich ("Clearing") zwischen dem vereinnahmenden Ursprungsland und dem erstattenden Bestimmungsland erreicht werden kann (vgl. Weimann, UidP, 21. Auflage 2023, Kap. 21.1.1).
Rz. 74
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Umsatzsteuerlich ist für den Letztverbraucher zu diesem Datum ein echter Binnenmarkt entstanden, da er grundsätzlich überall innerhalb der EU ohne wert- und mengenmäßige Beschränkung Waren erwerben und mit nach Hause nehmen darf. Der Letztverbraucher zahlt allerdings am Ort des Kaufes die dort gültige USt; ein etwaiger Grenzausgleich ist nicht vorgesehen. Da die Belastung des Umsatzes am Ort des Verkaufs erhoben wird, folgt diese Art der Besteuerung dem sog. Ursprungslandprinzip.
Rz. 75
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für den gewerblichen Handel konnte das Ursprungslandprinzip bislang nicht verwirklicht werden. Die Gründe dafür liegen in den weiterhin differierenden Umsatzsteuersätzen, die eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung in einem offenen Binnenmarkt bedeuten würden, sowie in der Unfähigkeit der Mitgliedstaaten, Kompetenzen der Gesetzgebung und der Aufkommensverteilung aus der USt auf die gemeinschaftlichen Institutionen zu übertragen. Der Handel zwischen den Unternehmern der EU-Staaten folgt seitdem eigenen Regeln. Das beruht auf zwei Umständen. Einerseits sind innerhalb der EU die Zollgrenzen verschwunden, sodass eine Kontrolle des i. g. Warenverkehrs nicht mehr durch die Zollverwaltung erfolgen kann und soll. Andererseits bestehen die Mitgliedstaaten auch weiterhin auf ihrem Besteuerungsrecht. Bei einer Warenlieferung von Deutschland nach Italien soll nicht deutsche USt (dies wäre das sog. Ursprungslandprinzip), sondern nach dem sog. Bestimmungslandprinzip italienische USt anfallen. Die Besteuerung soll im Verbrauchsstaat erfolgen.
Rz. 76
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei der Beurteilung von Sachverhalten im grenzüberschreitenden gewerblichen Handel innerhalb der EU ist stets zu beachten, dass die Vorgaben der 6. EG-RL (seit 01.01.2007: MwStSystRL) zwar in jedem Mitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt, jedoch vielfach – soweit es die MwStSystRL erlaubt – den nationalen individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Das führt zu einem weiteren Problem innerhalb der EU. Die MwStSystRL ist kein europäisches Gesetz. Sie ist nur teilweise konkret gefasst, teilweise aber auch nur als Rahmen formuliert, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten individuell gestalten dürfen. Deutlich wird dies wiederum an den unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen innerhalb der EU (zur Wirkungsweise der MwStSystRL vgl. Einführung UStG Rz. 5 ff.).
Rz. 77
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die derzeitige Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten der EG ist in den Art. 28a bis 28p der 6. EG-RL enthalten. Nach Art. 28l der 6. EG-RL sollte die Übergangsregelung nur vom 01.01.1993 bis zum 31.12.1996 gelten. In dieser Vorschrift ist jedoch auch gleichzeitig eine Regelung darüber enthalten, die für den Fall in Kraft tritt, falls bis zu dem genannten Zeitpunkt der Rat (der Europäischen Gemeinschaft) noch nicht über eine endgültige Regelung über die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten befunden hat. Danach verlängert sich automatisch die Geltungsdauer der Übergangsregelung, bis eine endgültige Regelung in Kraft tritt.
Rz. 78
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Territorial ist die Übergangsregelung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Gemeinschaftsgebiet beschränkt; zu beachten ist, dass sich die EU bekanntermaßen um ihre Erweiterung bemüht und die Übergangsregelung damit ab Inkrafttreten der Erweiterung auch auf die Beitrittsländer anzuwenden ist (zur sog. EU-Osterweiterung zum 01.05.2004 vgl. BMF vom 29.04.2004, BStBl I 2004, 480).
Rz. 79
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Art. 6 MwStSystRL haben jedoch einige Mitgliedstaaten Teile ihres Staatsgebietes von der Anwendung des Gemeinschaftsrechtes ausgeschlossen. Diese Gebiete gelten i. d. R. als Drittlandsgebiet (vgl. § 1 Abs. 2 ff. UStG und Abschn. 1.10. UStAE). Zurzeit besteht die Besonderheit, dass die deutschen Freihäfen nach dem geltenden Zollrecht der Gemeinschaft zum gemeinschaftlichen Zollgebiet gehören. Umsatzsteuerrechtlich werden die Freihäfen jedoch wie Drittlandsgebiet behandelt. Dabei beruft sich die Bundesrepublik Deutschland nach wie ...