Rüdiger Weimann, Robert C. Prätzler
Rz. 32
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Unabdingbar ist auch die Kenntnis der EuGH-Verfahren. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur Verfahren betrachtet werden dürfen, die das deutsche Umsatzsteuerrecht unmittelbar betreffen, sondern auch solche zum ausländischen Umsatzsteuerrecht, bei denen Gegenstand der Prüfung Regelungen sind, die in identischer oder sehr ähnlicher Form auch in Deutschland zur Anwendung gelangen.
Rz. 33
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zunächst muss sich der Berater mit dem Inhalt der zum ausländischen Umsatzsteuerrecht beim EuGH anhängigen Verfahren vertraut machen und dabei einschätzen, ob und inwieweit sich diese Verfahren auf "seinen Fall" auswirken und mit Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers oder der deutschen Finanzverwaltung zu rechnen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung sollte immer die offizielle Verfahrensübersicht des BFH sein (www.bundesfinanzhof.de/Anhängige Verfahren/Anhängige Revisionsverfahren online/Suchbegriff "EuGH"). Daneben erleichtert auch die Fachliteratur diese Arbeit mit diversen Verfahrensübersichten.
TIPP
Im Hinblick auf die Informationspflicht des Beraters sollten wichtige Erkenntnisse zum europäischen Umsatzsteuerrecht – wie die zu allen anderen Beratungsgebieten auch – gegenüber der Mandantschaft kommuniziert werden und etwa in Mandantenrundschreiben eingehen.
Rz. 34
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In Verfahren vor der Finanzverwaltung oder den Finanzgerichten ist es zwingend erforderlich, dass der Steuerpflichtige wie bzw. sein Berater sich ausdrücklich auf die Verletzung Europäischen Rechts berufen, wenn z. B. im Hinblick auf die "Bürgerwirkung der MwStSystRL" Aussicht auf eine günstigere Entscheidung besteht (vgl. Rz. 10 ff.). Außerdem ist im Einzelfall anzuraten, unter Hinweis auf die anhängigen Verfahren vor dem EuGH eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen (vgl. § 363 Abs. 2 AO).
TIPP
An dieser Stelle soll allerdings davor gewarnt werden, zum Teil in der Literatur vertretene – eher "radikal" erscheinende – Beurteilungen unmittelbar in die eigene Beratung zu übernehmen. Auch wenn den Autoren solcher Beurteilungen in der Sache oftmals (ansatzweise) zuzustimmen ist, so ist doch häufig absehbar, dass der EuGH diese Auffassungen ohne Schaden für die Mitgliedstaaten nicht teilen kann und daher auch nicht teilen wird!
Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Eindrucksvoll verdeutlichte sich die hier angesprochene Problematik am damaligen Rechtsstreit in Österreich bzgl. der UMTS-Lizenzen (hierzu Weimann, UStB 2004, 335 und UVR 2004, 88). Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH vermehrt auch bei den direkten Steuern nationale Vorschriften als gemeinschaftsrechtswidrig qualifiziert und dem klagenden Steuerpflichtigen einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf diskriminierungsfreie steuerliche Behandlung eröffnet.