Viktor Emanuel Gottschlich
Rz. 39
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sonstige Leistungen ("supply of services") sind im Vereinigten Königreich steuerbar, wenn sich der Ort der Leistung im Vereinigten Königreich befindet. Mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 01.01.2021 haben sich keine grundlegenden Änderungen hinsichtlich der Regelungen zur Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen ergeben. Bestimmte Leistungen, die nicht der Grundregel zur Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen unterliegen, sind aufgrund des Brexits aber anders zu beurteilen. Hinsichtlich sonstiger Leistungen gibt es keine Unterscheidung zwischen Großbritannien und Nordirland, weil das Nordirlandprotokoll nur hinsichtlich Lieferungen einen Sonderstatus Nordirlands vorsieht.
5.1 Unternehmereigenschaft
Rz. 40
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung muss regelmäßig ermittelt werden, ob der Empfänger ein Unternehmer oder ein Nicht-Unternehmer ist. Der Empfänger ist ein Unternehmer ("relevant business person"), wenn er ein Unternehmen betreibt und er die sonstige Leistung nicht ausschließlich für private Zwecke empfängt, vgl. VATA 1994, Section 7A(4). Der Empfang von sonstigen Leistungen für nichtunternehmerische Aktivitäten ("non-business activities"), bspw. für gemeinnützige oder hoheitliche Aufgaben, ist von privaten Zwecken zu unterscheiden. Wenn der Empfänger unternehmerische und nichtunternehmerische Aktivitäten verfolgt, ist er grundsätzlich Unternehmer. Die Unternehmereigenschaft kann durch eine gültige britische USt-IdNr. des Empfängers nachgewiesen werden. Ist der Empfänger nicht im Vereinigten Königreich zur Umsatzsteuer registriert, muss der leistende Unternehmer die Unternehmereigenschaft des Empfängers durch alternative Nachweise belegen.
5.2 Ansässigkeit
Rz. 41
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Regelmäßig muss auch die Ansässigkeit einer relevanten Person bestimmt werden. Ein Unternehmer ist grundsätzlich in dem Staat ansässig,
- in dem er eine Geschäfts- oder eine andere feste Niederlassung hat.
- Hat er solche Niederlassungen in mehr als einem Staat, ist er in dem Staat ansässig, in dem die am vom steuerbaren Umsatz unmittelbarsten betroffene Niederlassung gelegen ist.
- Hat er keine Niederlassungen, ist er in dem Staat ansässig, in dem sich sein üblicher Wohnsitz oder seine ständige Anschrift befindet, vgl. VATA 1994, Section 9(3).
Eine Geschäftsniederlassung ("business establishment") ist der Ort, an dem die Hauptfunktionen der zentralen Verwaltung des Unternehmens ausgeübt werden. Eine andere feste Niederlassung ("other fixed establishment") verfügt über die erforderlichen technischen und personellen Mittel, um sonstige Leistungen auf Dauer zu erbringen oder zu empfangen, ohne eine Geschäftsniederlassung zu sein. Eine vorübergehende Präsenz von Personal und technischen Ressourcen reicht insoweit nicht aus. Die Bestimmung der am unmittelbarsten vom steuerbaren Umsatz betroffenen Niederlassung erfolgt im Einzelfall. Entscheidende Faktoren können bspw. die Inanspruchnahme der sonstigen Leistung in einer bestimmten Niederlassung sein oder der Umstand, dass eine bestimmte Niederlassung dem Leistenden Instruktionen gibt. Ein Nicht-Unternehmer ist in dem Staat ansässig, in dem sich sein gewöhnlicher Wohnsitz, seine ständige Anschrift oder, im Falle von Gesellschaften und juristischen Personen, sein Sitz befindet, vgl. VATA 1994, Section 9(5).
5.3 Grundregel zur Ortsbestimmung
Rz. 42
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Grundregel ("general rule") zur Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen ist der Ausgangsfall. Durch den Brexit ergeben sich insoweit keine anderen Rechtsfolgen, d. h., Leistungen, die unter die Grundregel fallen, sind nicht anders zu beurteilen als vor dem Brexit. Die Grundregel ist gegenüber anderen Ortsregelungen subsidiär. Bei Anwendung der Grundregel ist der Ort der Leistung
- Im Falle eines Unternehmers als Empfänger an dem Ort bzw. in dem Staat, in dem der Empfänger ansässig ist, oder
- im Falle eines Nicht-Unternehmers als Empfänger an dem Ort bzw. in dem Staat, in dem der Leistende ansässig ist, vgl. VATA 1994, Section 7A(2).
Rz. 43
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch für Beratungsleistungen an im Vereinigten Königreich ansässige Nicht-Unternehmer im Anwendungsbereich von § 3a Abs. 4 S. 2 Nr. 3 UStG greift aus britischer Sicht die Grundregel für Nicht-Unternehmer. Wenn ein in Deutschland ansässiger Unternehmer solche Leistungen an einen im Vereinigten Königreich ansässigen Nicht-Unternehmer erbringt, findet m. E. weder britisches noch deutsches Umsatzsteuerrecht Anwendung. Hier ist ein echter Fall der Nichtbesteuerung gegeben.
5.4 Sonderregeln zur Ortsbestimmung
Rz. 44
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sonderregeln zur Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen verdrängen die Grundregel. Die folgende Auflistung praxisrelevanter Sonderregeln ist nicht abschließend.
5.4.1 Grundstücksbezogene Werkleistung
Rz. 45
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Grundstücksbezogene Werkleistungen ("land-related services") sind im Staat des Belegenheitsorts des Grundstücks steuerbar, vgl. VATA 1994, Schedule 4A, Paragraph 1. Der Grundstücksbegriff ("land") ist weit zu verstehen und umfasst
- Grundstücksflächen i. e. S.,
- Gebäude oder B...