Viktor Emanuel Gottschlich
Rz. 44
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sonderregeln zur Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen verdrängen die Grundregel. Die folgende Auflistung praxisrelevanter Sonderregeln ist nicht abschließend.
5.4.1 Grundstücksbezogene Werkleistung
Rz. 45
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Grundstücksbezogene Werkleistungen ("land-related services") sind im Staat des Belegenheitsorts des Grundstücks steuerbar, vgl. VATA 1994, Schedule 4A, Paragraph 1. Der Grundstücksbegriff ("land") ist weit zu verstehen und umfasst
- Grundstücksflächen i. e. S.,
- Gebäude oder Bauwerke, die im Boden befestigt sind und nicht einfach abgebaut oder versetzt werden können,
- Gegenstände, die Teil eines Gebäudes oder Bauwerks sind und ohne die es unvollständig ist, und
- Gegenstände, Geräte oder Maschinen, die fest in ein Gebäude oder in einer baulichen Anlage eingebaut sind und nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder die Anlage zu zerstören oder zu verändern.
Rz. 46
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Ein Grundstücksbezug ist gegeben, wenn sich die Leistung unmittelbar auf ein bestimmtes Grundstück bezieht. Beispiele für grundstücksbezogene Werkleistungen sind
- die Errichtung oder der Abriss von Gebäuden oder von auf Dauer errichteten Anlagen, bspw. Gas- oder Wasserleitungen,
- die Wartung, Renovierung und Reparatur eines Gebäudes oder dauerhaften Bauwerks,
- die Installation bzw. der Aufbau von Maschinen, die zu einem festen Bestandteil eines Grundstücks werden und nicht leicht demontiert oder versetzt werden können,
- die Zurverfügungstellung von Betriebseinrichtungen und Ausrüstung zusammen mit Bedienpersonal, wenn der Leistende die Ausführungsverantwortung für die Arbeiten an dem Grundstück oder Gebäude trägt.
Rz. 47
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Ein lediglich indirekter Bezug zu einem Grundstück ist nicht ausreichend und ist bspw. bei der Bereitstellung von Lagerfläche gegeben, wenn der Empfänger kein ausschließliches Nutzungsrecht an einer bestimmten Lagerfläche hat.
5.4.2 Abgrenzung zwischen grundstücksbezogenen Werkleistungen und Werklieferungen
Rz. 48
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Werden bewegliche Gegenstände derart installiert oder montiert, dass sie Teil eines Grundstücks oder Gebäudes im Vereinigten Königreich werden, kommt sowohl eine grundstücksbezogene Werkleistung als auch eine Werklieferung in Betracht, vgl. Rz. 22. In beiden Fällen ist der Ort der Leistung bzw. Lieferung im Vereinigten Königreich. Die Unterscheidung hat dennoch praktische Relevanz, weil der liefernde Unternehmer im Falle einer Werklieferung stets umsatzsteuerliche Pflichten im Vereinigten Königreich hat und sich zur Umsatzsteuer registrieren muss, es sei denn, er macht von einer Vereinfachungsregelung Gebrauch. Hingegen können Werkleistungen im Vereinigten Königreich im Anwendungsbereich des grenzüberschreitenden Reverse-Charge-Verfahrens liegen. Insoweit bestehen dann für den leistenden Unternehmer keine umsatzsteuerlichen Pflichten und kein Registrierungsgrund zur Umsatzsteuer im Vereinigten Königreich.
Rz. 49
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Die Abgrenzung erfolgt im Einzelfall danach, ob das Liefer- oder das Leistungselement vorrangig und prägend ist. Werden standardisierte Waren geliefert und installiert oder montiert, ohne dass kundenspezifische Anpassungen vorgenommen werden müssen, ist das Lieferelement vorranging und eine Werklieferung gegeben. Umfasst der Vertrag Beratungs-, Entwurfs- oder Inspektionsleistungen oder individuell nach Kundenwünschen vorgenommene Änderungen oder Anpassungen, ist es dagegen wahrscheinlich, dass das Leistungselement vorrangig ist.
Der deutsche Unternehmer D führt für seinen Kunden K Wartungsarbeiten an Aufzügen in Gebäuden von K im Vereinigten Königreich aus und liefert und installiert auch benötigte Ersatzteile. D ist nicht im Vereinigten Königreich zur Umsatzsteuer registriert. K ist eine im Vereinigten Königreich ansässige Limited und ist im Vereinigten Königreich zur Umsatzsteuer registriert.
Lösung:
D führt eine grundstücksbezogene Werkleistung im Vereinigten Königreich aus, weil vorrangig die Inspektion und Wartung der Aufzüge geschuldet wird. Der Ort der Leistung ist im Vereinigten Königreich. Das grenzüberschreitende Reverse-Charge-Verfahren findet Anwendung, sodass D keine umsatzsteuerlichen Pflichten im Vereinigten Königreich treffen und er sich insoweit nicht zur Umsatzsteuer im Vereinigten Königreich registrieren kann.
5.4.3 Transportleistungen
Rz. 50
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Für Transportleistungen und relevante Nebenleistungen an Unternehmer gibt es grundsätzlich keine Sonderregel zur Ortsbestimmung. Wenn jedoch der Ort der Leistung an sich im Vereinigte Königreich läge und die Beförderung oder, im Falle von Nebenleistungen, die physische Erbringung vollständig außerhalb des Vereinigten Königreichs stattfindet, ist der Ort der Leistung außerhalb des Vereinigten Königreichs, vgl. VATA 1994, Schedule 4A, Paragraphs 9B, 9C. Transportleistungen an Nicht-Unternehmer werden an dem Ort erbracht, an dem die Beförderung stattfindet. Im Falle einer Beförderung in mehreren Ländern ist der Ort der Leistung entsprechend der anteilig zurückgelegten Strecke im bzw. außerhalb des Vereinigten Kö...