Rz. 72
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei der entgeltlichen Ausgabe von Sachgutscheinen, die den Einzweck-Gutscheinen nach Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL bzw. § 3 Abs. 14 UStG entsprechen, wurde der gezahlte Betrag für den Erwerb des Gutscheins ursprünglich als eine Anzahlung i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG angesehen (vgl. OFD-Magdeburg vom 02.05.2006, Az: S 7200–179–St 244; OFD Karlsruhe vom 25.08.2011, Az: S 7270, DStR 2011, 1910; OFD Frankfurt vom 25.03.2010; Az: S 7100 A–172–St 11, DB 2010, 1969; vgl. auch Feil/Kupke/Geisl, BB 2012, 3113).
Rz. 73
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Hinsichtlich der Behandlung von Einzweck-Gutscheinen regelt der Art. 30b Abs. 1 MwStSystRL bzw. § 3 Abs. 14 UStG nunmehr, dass diese bereits als Leistung gelten, auf die sich der Gutschein bezieht. Dies entspricht auch der Sichtweise des EuGH, in dessen Entscheidung vom 03.05.2012 (Rs. C-520/10, Lebara, BStBl II 2012, 755): Der Vertrieb von Telefonkarten, die ausschließlich für Anrufe in Drittländer über ein bestimmtes Telekommunikationsdienstleistungsunternehmen genutzt werden konnten, stellte auch in Bezug auf jeden Zwischenverkauf der zwischengeschalteten Zwischenhändler eine Telekommunikationsdienstleistung des jeweiligen Veräußerers dar, die auf der Basis des jeweiligen Verkaufspreises der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Der jeweilige Verkauf des Einzweck-Gutscheins wurde also nicht der bloßen Anzahlungsbesteuerung unterworfen, sondern der Besteuerung aufgrund der Leistungserbringung (vgl. Feil/Kupke/Geisl, BB 2012, 3113; vgl. auch FG Köln vom 16.02.2016, Az: 1 K 927/13, EFG 2016, 772 rkr.). Die deutsche Finanzverwaltung hatte bereits mit BMF-Schreiben vom 24.09.2012 (BStBl I 2012, 947) das EuGH-Urteil vom 03.05.2012 umgesetzt, sodass sich aus Art. 30b Abs. 1 MwStSystRL keine Änderung der deutschen Rechtspraxis ergeben.
Zur im Einzelfall schwierigen Abgrenzung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen i. Z. m. Guthabenkarten für PlayStation-Nutzerkonten vgl. den Beschluss des BFH vom 29.11.2022 zur Rechtslage bis 31.12.2018 (Az: XI R 11/21, BStBl II 2023, 424) und den Vorlagebeschluss zum EuGH vom 03.11.2022 zur Rechtslage ab 31.12.2018 (Az: XI R 21/21, MwStR 2023, 390). Mit seiner Vorlage möchte der BFH v. a. wissen, ob ein Einzweck-Gutschein auch dann vorliegt, wenn zwar der Leistungsort hinsichtlich der vom Gutschein verkörperten Leistung an den Endverbraucher feststeht, aber auch die Möglichkeit der Übertragung des Gutscheins an einen ausländischen Zwischenhändler und eines damit einhergehenden ausländischen Umsatzes besteht (vgl. hierzu auch Klein, MwStR 2023, 368; Prätzler, UR 2023, 273).
Beispiel (nach EuGH vom 03.05.2012, Rs. C-520/10, Lebara, BStBl II 2012, 755, vgl. auch Bsp. 1 in Abschn. 3.17. Abs. 3 UStAE):
Unternehmer A veräußert im Januar 01 einen Einzweck-Gutschein (hinreichend konkretisierte Telefonkarte) zum Nennwert von 100 EUR an das Vertriebsunternehmen V für 80 EUR. Der Endkunde K erwirbt den Gutschein für 90 EUR im Februar 02 von V und löst ihn im April 01 bei A ein.
Lösung:
Der Verkauf des Einzweck-Gutscheins in der Absatzkette unterliegt auf jeder Stufe der Umsatzsteuer. A erbringt bereits mit der Veräußerung des Einzweck-Gutscheins an V1 die Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Gegenleistung sind die von V1 gezahlten 80 EUR, sodass sich bei einem Steuersatz von 19 % eine Bemessungsgrundlage von 67,23 EUR ergäbe. A hat dem V1 eine entsprechende Rechnung auszustellen, um diesem den Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Entsprechendes gilt in Bezug auf V und K unter Zugrundelegung der Gegenleistung von 90 EUR.
Die Gutscheineinlösung durch K selbst würde dann keine weitere Besteuerung auslösen. Weitere Folge wäre aber auch, dass mangels Anzahlungsbesteuerung die Nichteinlösung des Einzweck-Gutscheins keine Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG begründet. Bei Rücknahme des Einzweck-Gutscheins und Rückgewähr der gezahlten Gegenleistung sollte aber § 17 Abs. 1 UStG eingreifen (vgl. auch Abschn. 3.17. Abs. 7 UStAE).
Rz. 74
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Zu beachten ist, dass die Annahme einer vorgelagerten Leistungserbringung nur in Bezug auf die Veräußerung des Einzweck-Gutscheins an einen Zwischenhändler möglich ist, der im eigenen Namen als Eigenhändler oder Kommissionär handelt. Handelt ein Zwischenhändler im fremden Namen und für fremde Rechnung, bewirkt er eine Vermittlungsleistung (vgl. BMF vom 24.09.2012, BStBl I 2012, 947; Feil/Kupke/Geisl, BB 2012, 3113).