Rz. 75

Stand: 6. A. – ET: 01/2024

Die entgeltliche Ausgabe von sog. Wertgutscheinen, die den Mehrzweck-Gutscheinen nach Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL bzw. § 3 Abs. 15 UStG entsprechen, wurde in Deutschland einhellig als bloßer Austausch von Zahlungsmitteln (d. h. Geld gegen Gutschein als besondere Form des Zahlungsmittels) angesehen, der nicht der USt zu unterwerfen ist (BFH vom 24.08.2006, Az: V R 16/05, BStBl II 2007, 340; OFD-Magdeburg vom 02.05.2006, Az: S 7200–179–St 244, UR 2007, 470; Korn, DStR 2010, 1662; Nieskens, UR 2010, 893). Bereits der RFH hatte mit Urteil vom 22.01.1932, (Az: V A 913/31, StuW 1932; vgl. auch Korn in DStR 2010, 1662) entschieden, dass der Verkauf von Gutscheinen einen nichtsteuerbaren Umsatz darstelle.

Hinsichtlich des Weiterverkaufs von Wertgutscheinen findet sich i. Z. m. dem Vertrieb von Telefonkarten die Aussage, dass es sich in der Differenz von gezahltem Preis und Wert der Telefonkarte um eine Provisionszahlung für die Vermittlungsleistung des Wiederverkäufers handelt, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei ist (OFD Frankfurt vom 25.03.2010; Az: S 7100 A–172–St 11, DB 2010, 1969).

 

Rz. 76

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Mit Urteil vom 29.07.2010 bewertete der EuGH (Rs. C-40/09, Astra Zeneca, BFH/NV 2010, 1762) allerdings die Ausgabe von Wertgutscheinen eines im Vereinigten Königreich ansässigen Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer als wirtschaftliche Tätigkeit des Arbeitgebers und die Ausgabe der Gutscheine unabhängig von ihrer späteren Verwendung als eigenständige Dienstleistung (vgl. hierzu Nieskens, UR 2010, 893; Korn, DStR 2010, 1662). Da es sich bei der entgeltlichen Ausgabe der Gutscheine demnach um eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung handele, könne der unternehmerische Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus dem Ankauf der Gutscheine beanspruchen, müsse aber andererseits die entgeltliche Weitergabe der Umsatzbesteuerung unterwerfen.

Unklar war allerdings, wie in diesem Fall die Einlösung der Gutscheine zu beurteilen sei und welche Auswirkungen die Nichteinlösung der Gutscheine hätte (vgl. auch Feil/Kupke/Geisl, BB 2012, 3113).

Von daher verwundert es nicht, dass die Finanzverwaltung trotz der expliziten Feststellung des EuGH, die Ausgabe von Gutscheinen gegen Entgelt stelle eine steuerbare sonstige Leistung dar, an der Nichtbesteuerung von Wertgutscheinen festhielt (vgl. BMF vom 20.12.2010, Az: IV D 2–S 7200/07/10011/002, DStR 2011, 629; OFD Niedersachsen vom 17.01.2011, Az: S 7100–779–St 171, UR 2011, 762; vgl. auch OFD Magdeburg vom 02.05.2006, S–7200–179–St 244, UR 2007, 470; OFD Frankfurt a. M. vom 25.03.2010, Az: S–7100 A–172–St 110, DB 2010, 1969; OFD Karlsruhe vom 25.08.2011, Az: S 7270, DStR 2011, 1910; da diese Sichtweise im Kern der ab 01.01.2019 geltenden unionsrechtlichen Regelung in Art. 31a und 31b MwStSystRL entspricht – vgl. Rz. 60, dürfte die faktische Nichtanwendung des EuGH-Urteils vom 29.07.2010 unbedenklich sein – vgl. Nieskens in R/D, § 13 Rn. 335).

 

Rz. 77

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Im sog. Hotelscheck-Urteil vom 08.09.2011 (Az: V R 42/10, BStBl II 2012, 248) näherte sich der BFH der Sichtweise des EuGH in Sachen Astra Zeneca an, indem er das Entgelt für Hotelschecks als eine im Inland steuerpflichtige Anzahlung für vereinbarte Vermittlungsleistungen gegenüber den Kunden ansah und bereits zu diesem Zeitpunkt der deutschen Umsatzsteuer unterwarf. Dass in dem Zeitpunkt der Entgeltsentrichtung die Leistung noch gar nicht hinreichend konkretisiert war (also ein Wertgutschein bzw. Mehrzweckgutschein vorlag), insbesondere noch gar nicht feststand, ob die vermittelte Leistung in einem inländischen oder ausländischen Hotel erfolgt und mithin überhaupt in Deutschland steuerbar ist, störte den BFH insoweit nicht. Käme es zum Abschluss eines Beherbergungsvertrages mit einem Hotel, das sich auf einem nicht im Inland belegenen Grundstück befindet, und läge danach eine im Inland nicht steuerbare Vermittlungsleistung vor, sei die Bemessungsgrundlage für die Anzahlung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Satz 1 UStG zu berichtigen. Die Regelung beträfe ihrem Wortlaut nach Anzahlungen für später nicht ausgeführte Leistungen; sie gelte jedoch entsprechend, wenn die Anzahlung für eine sonstige Leistung mangels anderer Anhaltspunkte am Unternehmensort des Leistenden gem. § 3a Abs. 1 UStG steuerbar ist und der tatsächliche Leistungsort erst später bestimmt werden kann.

 

Rz. 78

Stand: 6. A. – ET: 01/2024

Nach Art. 30b Abs. 2 UA 1 MwStSystRL bzw. § 3 Abs. 15 UStG unterliegt nunmehr die Ausgabe und weitere Übertragung von Mehrzweck-Gutscheinen – von Gutscheinen also, bei denen der Ort oder die geschuldete Umsatzsteuer der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, bei Ausstellung noch nicht feststehen – nicht der Mehrwertsteuer. Erst die tatsächliche Leistungserbringung, für die der Gutschein angenommen wird, unterliegt der Mehrwertsteuer. Damit wird sowohl die Astra-Zeneca-Entscheidung des EuGH als auch das Hotelscheck-Urteil des BFH insofern negie...

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