Rz. 124
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Entgeltforderungen eines Unternehmers gegen den späteren Insolvenzschuldner werden spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, unbeschadet einer möglichen Insolvenzquote, in voller Höhe uneinbringlich i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG (vgl. BFH vom 22.10.2009, Az: V R 14/08, BStBl II 2011, 988; Abschn. 17.1. Abs. 16 S. 1 UStAE). Grund hierfür ist, dass die Gläubiger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen von Rechts wegen nicht mehr gegenüber dem Unternehmer durchsetzen können (vgl. BFH vom 13.11.1986, Az: V R 59/79, BStBl II 1997, 226 zum Konkursverfahren). Konkreter Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit ist spätestens der Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (vgl. BGH vom 19.07.2007, Az: IX ZR 81/06, UR 2007, 742, vgl. a. FG Köln vom 20.02.2008, Az: 7 K 3972/02, EFG 2008, 905: Uneinbringlichkeit bereits, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzschuldner und der sachliche Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO oder der Überschuldung gem. § 19 InsO gegeben ist). Uneinbringlichkeit kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorliegen, zu dem der Leistungsempfänger zahlungsunfähig wird (vgl. BFH vom 10.03.1983, Az: V B 46/80, BStBl II 1983, 389).
Die Stellung eines Insolvenzantrags oder die bloße Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters reichen für sich allein nicht zur Annahme der Uneinbringlichkeit aus (BGH vom 19.07.2007, Az: IX ZR 81/06, WM 2007, 1708).
Allerdings führt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bereits zur Uneinbringlichkeit, wenn dem Schuldner entweder gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter vgl. BFH vom 01.03.2016, Az: XI R 21/14, BStBl II 2016, 756, Abschn. 17.1. Abs. 16 i. V. m. Abs. 12 UStAE) oder die Wirksamkeit seiner Verfügungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO von der Zustimmung des vorläufigen Verwalters abhängt (vgl. BFH vom 08.08.2013, Az: V R 18/13, BStBl II 2017, 543; BFH vom 03.07.2014, Az: V R 32/13, BStBl II 2017, 666; BFH vom 24.09.2014, Az: V R 48/13, BStBl II 2015, 506, Abschn. 17.1. Abs. 16 i. V. m. Abs. 13 UStAE).
Zusammengefasst gilt demnach:
1. |
Vor Beginn des Insolvenzeröffnungsverfahrens bezogene Eingangsleistungen Entgeltforderungen für bezogene Eingangsleistungen werden mit Bestellung eines sog. starken Insolvenzverwalters oder eines sog. schwachen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt, mit Recht zum Forderungseinzug oder mit Berechtigung zur Kassenführung entsprechend uneinbringlich. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer zu berichtigen und beim insolventen Leistungsempfänger ist dementsprechend die Vorsteuer zu berichtigen (vgl. Abschn. 17.1. Abs. 16 UStAE). Soweit das Entgelt nachträglich durch den vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter gezahlt wird, sind Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer und Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger erneut zu berichtigen. Der hieraus resultierende Vorsteueranspruch steht der Masse zu und ist anspruchsmindernd bei der Berechnung der für den Voranmelde- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO anspruchsmindernd zu berücksichtigen. |
2. |
Im Insolvenzeröffnungsverfahren bezogene Eingangsleistungen Nach der Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters durch bezogene Eingangsleistungen begründete Vorsteueransprüche stehen der Masse zu. Sie sind nicht zu berichtigen. Vorsteueransprüche aus Leistungen, die der Insolvenzschuldner in einem Insolvenzeröffnungsverfahren mit einem sog. schwachen Insolvenzverwalter bezieht, sind gleichzeitig uneinbringlich und daher nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 UStG zu berichtigen. Da Vorsteueranspruch und Berichtigungsanspruch regelmäßig im gleichen Voranmeldezeitraum zusammenfallen, ergeben sich grundsätzlich keine Steueransprüche, die als Insolvenzforderungen geltend zu machen wären (vgl. BMF-Schreiben vom 20.05.2015, BStBl I 2015, 476, Rn. 20 bzw. BMF-Schreiben vom 11.01.2022, BStBl I 2022, 116, Rn. 24). Durch den sog. schwachen Insolvenzverwalter veranlasste Zahlungen führen zu einer erneuten Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Der hieraus resultierende Vorsteueranspruch steht der Masse zu und ist anspruchsmindernd bei der Berechnung der für den Voranmelde- oder Besteuerungszeitraum ergebenden Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO anspruchsmindernd zu berücksichtigen. |
Rz. 125
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Uneinbringlichkeit ist auch dann gegeben, wenn der Insolvenzverwalter bei sog. schwebenden Verträgen gem. § 103 InsO Erfüllung wählt und es zum vertragsgemäßen Leistungsaustausch kommt. In diesem Fall sind mit Zahlung des Entgelts Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug ggf. erneut nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 UStG zu berichtigen (BFH vom 22.10.2009, Az: V R 14/08, BStBl II 2011, 988 in Abweichung zu seiner bisherigen Rechtsprechung, vgl. BFH vom 28.06.2000, Az: V R 45/9...