8.8.1 Abgrenzung zur Rücklieferung
Rz. 148
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Wird eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung oder ein steuerpflichtiger i. g. Erwerb rückgängig gemacht, sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG in sinngemäßer Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG die Umsatzsteuer und der Vorsteuerabzug zu berichtigen.
Rz. 149
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zu unterscheiden sind für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG die Rückgängigmachung einer Leistung von der sog. Rücklieferung, die nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt. Ob eine nichtsteuerbare Rückgängigmachung eines Liefervorgangs oder eine Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen (vgl. BFH vom 12.11.2008, Az: XI R 46/07, BStBl II 2009, 558; vgl. Abschn. 1.1. Abs. 4 und Abschn. 17.1. Abs. 8 UStAE). Dabei ist auf eine innere Verknüpfung zwischen dem Erwerb und der Rückgabe dergestalt abzuheben, dass Leistung und Gegenleistung zurückgegeben werden, wohingegen die Rücklieferung zwei getrennte wirtschaftliche Vorgänge voraussetzt. I. d. R. erfolgt eine Rücklieferung aufgrund eines erneuten Willensentschlusses (vgl. BFH vom 27.06.1995, Az: V R 27/94, BStBl II 1995, 756) und erst einige Zeit nach dem ursprünglichen Kauf (vgl. BFH vom 22.11.1962, Az: V 214/58 S, BStBl III 1963, 194; BFH vom 09.03.1967, Az: V 96/64, BStBl III 1967, 379). Entscheidungserheblich sind auch die Rechtspositionen der Beteiligten. Kommt der Leistungsempfänger bei einer Lieferung unter Eigentumsvorbehalt (§ 455 BGB) in Zahlungsverzug, kann der Lieferer die Rückgabe der gelieferten Sachen erzwingen und es kommt zur Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung (vgl. BFH vom 17.12.1981, Az: V R 75/77, BStBl II 1982, 233 – zur Lieferung von Gerüstteilen unter Eigentumsvorbehalt). Zur Rückgängigmachung eines Finanzierungs-Leasingvertrags vgl. FG Nürnberg vom 29.01.2007 (Az: II 342/2005, DStRE 2007, 1572, rkr., – Ablehnung AdV, da nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass die außerordentliche Kündigung eines Finanzierungsleasing-Vertrags über einen Hubschrauber und die einvernehmliche Rückgabe des Hubschraubers zur Verringerung der ursprünglichen Bemessungsgrundlage wegen Rückgabe einer Lieferung nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG führt; vgl. auch EuGH vom 12.10.2017, Rs. C-404/16, Lombard, UR 2018, 32: bei Kündigung eines Finanzierungsleasing-Vertrages ist eine Änderung der Bemessungsgrundlage zulässig). Fristlose Kündigung und einvernehmliche Rückgabe ohne weitergehende wechselseitige Ansprüche führten zur Rückgängigmachung der Lieferung (keine Rücklieferung) und Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Jahr des Eintritts (2003) des Ereignisses (Berichtigung wohl i. H. der Differenz zwischen der ursprünglichen Bemessungsgrundlage und den tatsächlich gezahlten Leasingraten). Für die Unterscheidung zwischen Rücklieferung und Rückgängigmachung ist es ohne Bedeutung, ob der Leistungsempfänger Unternehmer oder Nichtunternehmer ist (vgl. BFH vom 19.06.2002, Az: V B 113/01, BFH/NV 2002, 1353). Rechtspositionen, die zur Rückabwicklung des ursprünglichen Geschäftes führen können sind z. B. Rücktritt (§§ 323ff., 437 BGB), Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes, Anfechtung (vgl. BFH vom 20.08.1999, Az: V B 74/99 (NV), BFH/NV 2000, 243 – für den Fall der Anfechtung eines Praxisübernahmevertrages). § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG kommt auch bei sonstigen Leistungen in Betracht, soweit sie von ihrer Art her rückgängig gemacht werden können (vgl. BFH vom 20.08.1999, Az: V B 74/99 (NV), BFH/NV 2000, 243 für den Fall der Übertragung eines immateriellen Wirtschaftsgutes, hier: Kundenstamm). Gerade bei Gebrauchsüberlassungen oder Dienstleistungen dürfte aber regelmäßig eine Rückgängigmachung ausscheiden, da sie sich mit ihrer Nutzung bzw. Erbringung verbraucht haben (vgl. BFH vom 18.09.2008, Az: V R 56/06, BFH/NV 2009, 316: keine Rückgängigmachung einer Maklerleistung).
Zur Behandlung der Überlassung von Transportverhältnissen gegen Pfand vgl. Rn. 59.
Rz. 150
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Als Rücklieferung beurteilte der BFH die Rücknahme von Umzugskartons gegen Entgelt durch ein Umzugsunternehmen (Urteil vom 12.11.2008, Az: XI R 46/07, BStBl II 2009, 558; Abschn. 17.1. Abs. 8 S. 3 UStAE). Der Verkauf der Kartons sei weder nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig gemacht worden, noch sei eine Entgeltsminderung für die ursprünglichen Lieferungen eingetreten, noch gelten hierfür die Sonderregelungen für mit Pfand belegte Gegenstände. Eine Rückgängigmachung ist anzunehmen, wenn der Liefernde oder der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferempfänger den Liefergegenstand in Rückabwicklung zurückgibt. Bei Rückgängigmachung liegt typischerweise eine Vertragsstörung im weiten Sinne vor. Ein Merkmal der Rückgängigmachung ist die Rückzahlung des ursprünglichen Entgelts. Demgegenüber liegt eine Rücklieferung vor, wenn ein neues Umsatzgeschäft eingega...