Corporate Political Responsibility: Wirtschaft ist politisch

Corporate Political Responsibility (CPR) nimmt zunehmend Raum in der Debatte um unternehmerische Verantwortung ein. In diesem Gastbeitrag beleuchtet Dr. Katharina Reuter die Rolle von Unternehmen in der politischen Arena und zeigt, warum CPR von entscheidender Bedeutung ist. Katharina Reuter ist in ihrem Engagement für CPR inspiriert von der Gründungsidee des BNW.

Was steckt hinter dem Konzept Corporate Political Responsibility, CPR?

Unternehmen nehmen eine wichtige gesellschaftliche Rolle ein: Ihr Einfluss erstreckt sich auf politische Entscheidungsprozesse und ihre (gesellschafts-) politischen Positionen dienen immer mehr Menschen als Orientierung in ihrer eigenen Meinungsfindung. Dies greift soweit, dass Unternehmen von den meisten Menschen als kompetenter und vertrauenswürdiger eingestuft werden als Regierungen [vgl. Edelman Trust Barometer 2024, S. 7]. Drei Viertel der Deutschen erwarten sogar, dass sich ein CEO zu sozialen Themen äußert – global sind es 86 Prozent [vgl. Edelman Trust Barometer 2021]. Es ist daher unbestritten, dass Wirtschaftsakteure gleichzeitig gesellschaftspolitische Akteure sind.

Diese Rolle von Unternehmen wird durch Corporate Political Responsibility (CPR) beschrieben. CPR beschreibt die Erweiterung des Konzepts Corporate Social Responsibility (CSR) um das politische Engagement und die politische Verantwortung von Unternehmen. CPR ist integraler Bestandteil verantwortungsvoller Unternehmensführung und sollte von CEOs als solcher anerkannt und umgesetzt werden.

Wie unterscheidet sich CPR von CSR?

CPR geht davon aus, dass Unternehmen bereits politische Akteure sind: Sie setzen sich durch Lobbyarbeit für ihre Interessen ein und sind über Gesetze, Steuern und die Rolle als Arbeitgeber mit dem Staat verbunden. Während sich CSR auf die allgemeine Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt bezieht – oft losgelöst vom Kerngeschäft – fokussiert sich CPR auf die immanente Verantwortung von Unternehmen im politischen Bereich. Dazu gehört die Einhaltung demokratischer Prinzipien und Transparenz (zum Beispiel Offenlegung von politischen Aktivitäten). Dies ist losgelöst von einer parteipolitischen Denkweise, sondern verweist auf den Primat des Politischen. Als Grundsatz kann Unternehmen dabei folgende Maxime dienen: „Unparteiisch im Besonderen, aber parteiisch im Grundsätzlichen“ – nämlich dann, wenn es um die liberale Demokratie als solche geht.

Eine besondere Herausforderung: Der politische Rechtsruck

Grundsätzlich gilt, dass es gerade jetzt, wo Demokratien durch zahlreiche politische Krisen wie Kriege, das Erstarken des Populismus und die Globalisierung herausgefordert werden, eine große Chance ist, wenn sich Unternehmen im Sinne der demokratischen Grundwerte in gesellschaftspolitischen Fragen einbringen. CPR ist dabei nicht nur ethisch geboten, sondern ermöglicht CEOs, die sich zu politischer Verantwortung bekennen, ihr Unternehmen als Vorbild zu positionieren. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Unternehmer Reinhold Würth, der sich mit einem offenen Brief an seine Angestellten deutlich gegen die AfD aussprach und nach eigenen Aussagen zwar minimale Verluste machte, gleichzeitig aber deutlichen Zuspruch von verschiedenen Seiten empfing [vgl. ZDF Heute, 19.05.2024].

Ich beobachte die besonderen Herausforderungen für Unternehmen in Regionen, in denen rechtsextreme Akteure und eine Partei wie die AfD, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall und in einzelnen Landesverbänden als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, wachsende Zustimmung erhalten. Für diese Unternehmen scheint mir CPR, insbesondere in der Rolle als Arbeitgeber, besonders drängend: Unternehmen sind nicht nur ein gesellschaftspolitischer Orientierungspunkt, sondern auch ein Ort für Austausch und Diskussion, der Beteiligung von Mitarbeitenden (Stichwort Bottom-up-Maßnahmen) und der Projektpartnerschaften. Unternehmen sollten ihre Verantwortung in diesen Rollen wahrnehmen: beispielsweise durch Coaching für eine offene Diskussionskultur, Maßnahmen der Demokratiebildung wie sie beim Business Council for Democracy in Anspruch genommen werden können, öffentliche Stellungnahmen zu unternehmensrelevanten politischen Themen, oder Unterstützung von Vereinen oder Initiativen, die demokratische Werte vertreten.

Entscheidend ist, dass sich Unternehmen – egal in welchem gesellschaftspolitischen Kontext – nicht nur für Eigeninteressen engagieren, sondern langfristige gesellschaftliche Werte fördern. Im Rahmen von CPR sind Maßnahmen zu verankern, die die institutionellen und kulturellen Säulen offener Gesellschaften nachhaltig stärken.

Beispiele erfolgreicher Umsetzung von CPR

Die klare politische Positionierung von Nomos Glashütte zu den rechtsextremen Aufmärschen in Chemnitz ist vorbildlich in diesem Sinne. Nicht nur verurteilte der deutsche Uhrenhersteller in einem offenen Brief Rassismus, Intoleranz und Hass, sondern bot seinen Mitarbeitenden Workshops an, um sie bei der Bekämpfung von Extremismus zu unterstützen. Außerdem ist das Unternehmen Gründungsmitglied des Business Council for Democracy, einer privatwirtschaftlichen Initiative zur Förderung der Debattenkultur.

Haltung als Markenzeichen gilt auch für Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von Vaude. Regelmäßig nimmt sie zu politischen Themen Stellung, sei es in der Flüchtlingspolitik, zur Frage sozialer Standards oder zu Klimaschutz-Maßnahmen wie der CO₂-Bepreisung. Dabei nimmt Antje von Dewitz auch andere CEOs in die Pflicht: Deren Dauernörgeln sei unprofessionell und mitverantwortlich für den Höhenflug der AfD [vgl. Manager Magazin, 30.08.2023].

Diese Beispiele zeigen, wie CEOs eine proaktive Rolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen spielen und die CPR als integralen Bestandteil ihrer Unternehmensführung sehen.

Was also ist wichtig für die Umsetzung von CPR? Zu den ersten Schritten zählt die Entwicklung einer CPR-Strategie, die basierend auf demokratischen Grundwerten zu den Werten und Zielen des Unternehmens passt. Dies beinhaltet die Identifizierung von für das Unternehmen relevanten politischen Themen und die Zusammenarbeit mit relevanten Interessengruppen. Dabei ist Transparenz entscheidend. Unternehmen sollten offenlegen, welche politischen Aktivitäten sie unternehmen und wie sie ihre Ressourcen in politische Prozesse einbringen. Dies schafft Vertrauen und ermöglicht eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Ein niedrigschwelliges Angebot für Unternehmen zur Entwicklung einer politischen Haltung bieten Initiativen wie „ Wirtschaft wählt Vielfalt und Nachhaltigkeit: Für die Zukunft Europas“, eine Unternehmenserklärung im Vorlauf zur EU-Wahl, mit der sich Unternehmen für Vielfalt und Nachhaltigkeit und gegen rechtspopulistische Strömungen positionieren.

Ausblick: Wie wird sich die Rolle von Unternehmen als gesellschaftliche Akteure verändern?

Corporate Political Responsibility ist ein zentraler Faktor verantwortungsvollen Unternehmertums. Unternehmen agieren auf betrieblicher Ebene als Arbeitgeber, die Menschen mit unterschiedlichen politischen Interessen vereinen, sie können sich im Wettbewerb differenzieren und stehen im ständigen Austausch mit ihren Stakeholdern. Zusätzlich zur gesamtgesellschaftlichen Rolle von Unternehmen wird politische Verantwortung hier konkret. Das macht CPR zum Business Case: Freie und offene Gesellschaften bieten ein Umfeld, in dem Unternehmen am besten agieren und ihre Interessen umsetzen können. Im Umkehrschluss gehört es zur Aufgabe von Unternehmen, solche Gesellschaften mitzugestalten.

Insgesamt kann Corporate Political Responsibility dazu beitragen, die Geschäftswelt ethischer und sozial verantwortlicher zu gestalten. Unternehmen haben die Macht, positive Veränderungen in der Gesellschaft herbeizuführen. CPR ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und eine Win-win-Situation für Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.

Das Bewusstsein für das Politische wächst

Mit Klimakrise, Artensterben, Ressourcenknappheit und Polarisierung der politischen Debatte wächst der gesellschaftliche Druck. Viele Beispiele zeigen: Unternehmen möchten Teil der Lösung sein – und nicht länger Teil des Problems. Die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft sind Nachhaltigkeitspioniere, die sich immer wieder auch politisch in verschiedene Debatten einbringen, zum Beispiel wenn es um Demokratie, Klimaschutz oder Agrogentechnik geht. In der DNA des Verbandes liegt nicht nur das Politische, sondern auch die ganzheitliche Betrachtung einer konstruktiven Wirtschaftswende und das branchenübergreifende Verständnis von Transformation. Ich empfehle daher den Unternehmerinnen und Unternehmern CPR als strategische Weiterentwicklung von Konzepten der Unternehmensverantwortung, ein Upgrade ihrer CSR-Strategie um die politische Dimension, ein Upgrade hin zu Corporate Political Responsibility.

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