„Nachhaltige Produkte dürfen nicht automatisch immer teurer werden“
Herr Weimann, Sie haben P.A.C. 2012 im Alter von 23 Jahren gegründet. Warum wollten Sie so jung Unternehmer werden?
Wir wollten beweisen, dass man Textilien „Made in Germany“ nicht nur im kleinen Maße, sondern auch langfristig profitabel produzieren kann. Ebenso wollten wir zeigen, dass man damit auch über Deutschland hinauswachsen kann. Die P.A.C. GmbH ist produkt- und qualitätsgetrieben und auch das Thema Nachhaltigkeit fanden wir schon vor über zwölf Jahren sehr wichtig.
Worum ging es Ihnen damals im Bereich Nachhaltigkeit?
Die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit war früher ganz anders als heute. Speziell im Textilbereich hatte Nachhaltigkeit ein klassisches Öko-Image. Die Mode war meist eher langweilig und bestand aus Naturfasern. Unsere Motivation als junge Truppe war es damals, besonders im Bereich der Sportfunktionsmode noch innovativere und stylischere Produkte zu machen. Nachhaltigkeit verstanden wir als Basis, weniger als Hauptverkaufsargument.
Früher hatte Nachhaltigkeit speziell im Textilbereich ein klassisches Öko-Image. Die Mode war meist eher langweilig und bestand aus Naturfasern.
Nachhaltige Produktion in schwierigen Zeiten
Laut einer Studie von Utopia ist jedoch das Preisbewusstsein von Konsument:innen in den jüngsten Krisen gestiegen, was auch den nachhaltigen Konsum beeinflusst …
In einzelnen Produktgruppen spüren wir bei unseren Kunden eine stärkere Verschiebung in untere und mittlere Preislagen. Traurig finde ich, dass wir in den letzten Jahren im Bereich Nachhaltigkeit viele Schritte nach vorne gemacht haben. Und jetzt spielt das für Konsumenten auf einmal keine große Rolle mehr, bedingt durch individuelle Herausforderungen und Ängste. Nachhaltige Produkte dürfen aber nicht automatisch immer teurer werden. Der Extraschritt, den man für Nachhaltigkeit geht, bedeutet mehr Aufwand. Wir wollten deshalb schon immer die Effizienz in der Produktion oder im Materialverbrauch verbessern, um gegenüber Wettbewerbern – die ausschließlich im preiswerten Ausland produzieren und wenig Fokus auf Nachhaltigkeit legen – preislich mithalten zu können. Einige Produkte haben wir in der Herstellung so optimiert, dass wir sie seit Jahren preisstabil anbieten können.
Nicht alles, was die Produktion angeht, hat man selbst in der Hand. Vor allem wegen Lieferengpässen geraten viele Unternehmen in Bedrängnis. Wie gehen Sie damit um?
Es war bisher unser größter Vorteil, dass wir durch eigene Produktion an den Standorten in Schweinfurt und Norditalien flexibel auf neue Situationen reagieren konnten.
Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass wir nicht mit Lieferengpässen zu kämpfen haben. Tatsächlich können wir nicht alle Garne und Fabrics immer aus der eigenen Region beziehen. Dementsprechend kennen auch wir die Herausforderungen in Transport oder Herstellung. Im Vergleich zu Mitbewerbern, die primär von der Produktion im Ausland abhängig sind, betrifft uns das aber deutlich weniger. Es war bisher unser größter Vorteil, dass wir durch eigene Produktion an den Standorten in Schweinfurt und Norditalien flexibel reagieren konnten. Zudem haben wir stark darauf geachtet, die Transportwege durch die Wahl regionaler Zulieferer kurz zu halten. Um mehr Kontrolle zu bekommen, haben wir mehr und mehr Produktionsschritte ins eigene Haus geholt. Nur das Färben übernehmen wir nicht selbst. Unser Partnerbetrieb setzt sich selbst allerdings hohe Umweltstandards, dort läuft alles mit Wasserenergie.
Seit 2021 produzieren Sie in der neuen „CO2-neutralen“ Green Factory. Was genau macht den Produktionsstandort CO2-neutral?
Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, unser Unternehmen CO2-neutral zertifizieren zu lassen, weil wir unser Gewissen nicht über Ausgleichszahlungen mit Zertifikaten „rein kaufen“ wollten. Den einzig richtigen Schritt sehen wir als produzierendes Unternehmen darin, den Energieverbrauch in unserem täglichen Handeln zu reduzieren. Das große Ziel der Green Factory lautete daher, unsere Produkte in derselben Qualität mit dem geringstmöglichen CO2-Ausstoß zu produzieren.
Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, unser Unternehmen CO2-neutral zertifizieren zu lassen, weil wir unser Gewissen nicht über Ausgleichszahlungen mit Zertifikaten „rein kaufen“ wollten.
Was bedeutet das konkret?
Schon 2019 haben wir dort große Wärmepumpen für die Kühlung der Produktion und die Heizung im Winter eingeplant. Wir nutzen die Wärme, die wir in der Produktion gewinnen – diese wäre früher klassische Abluft gewesen. Außerdem können wir mit 6.000 Quadratmetern Photovoltaik selbst Strom erzeugen, sogar überschüssigen Strom einspeisen, und dank großer Energiespeicher auch solche Tage überbrücken, an denen die Sonne nicht viel scheint. Dazu kommt, dass wir unsere Ausschussquote durch Digitalisierung maßgeblich verringern konnten. Unsere Partner aus der Region recyceln die Produktionsabfälle. Produktverpackungen wurden verkleinert, um die Transportkapazität zu vergrößern und Müll sowie CO2-Emissionen einzusparen. Mit unserer effizienten Logistik – wir haben ein Lager mit 2.000 m² – verringern wir den Textilabfall, denn unsere Kunden erhalten flexible Lieferungen und haben am Saisonende weniger Lagerüberhang. Nicht zuletzt sind unsere Produkte langlebig und robust, 90 Prozent enthalten bereits recycelte oder nachwachsende Rohstoffe.
Nachhaltigkeit ist ein Thema für alle im Unternehmen
In der Öffentlichkeit äußern Sie sich auch zu sozialen und ökonomischen Fragen der Nachhaltigkeit. Was bedeutet das für Sie?
Arbeitsplätze zu sichern, ist für mich der wichtigste Aspekt des nachhaltigen Unternehmertums.
Nachhaltigkeit ist kein Fixzustand, sondern das Commitment zu einem Weiterentwicklungsprozess. Als wir unser neues Werk geplant haben, empfahl uns eine externe Beratung, den Standort ins EU-Ausland zu verlagern. Dadurch hätten wir bis zu 70 Prozent EU-Fördergelder erhalten, hätten gleichzeitig jedoch das gesamte Werk in Schweinfurt schließen und alle Mitarbeitenden – die jahrelang zum Aufbau des Unternehmens beigetragen haben – entlassen müssen. Aus rein wirtschaftlicher Sicht wäre es clever gewesen, aber wir wollen nun einmal am Standort Deutschland effizient und profitabel produzieren. Arbeitsplätze zu sichern, ist für mich der wichtigste Aspekt des nachhaltigen Unternehmertums. Darüber hinaus ist soziale Inklusion für mich eine große Herzensangelegenheit. Deshalb arbeiten wir seit Beginn mit der Lebenshilfe zusammen: Die Kollegen, die wir dadurch in die Produktion integrieren, können wundervolle Produkte erschaffen.
Wie können sich Ihre Mitarbeitenden beim Thema Nachhaltigkeit einbringen?
Wir wollen unsere Mitarbeitenden bei diesem Thema früh einbeziehen. Deshalb haben wir nicht einen einzelnen Nachhaltigkeitsbeauftragten, sondern sorgen dafür, dass Nachhaltigkeit in allen Abteilungen gelebt wird. Es ist nicht mit einer einmaligen Investition geschafft, sondern braucht das Bewusstsein aller – von Auszubildenden über Produktionsmitarbeitende hin zu Führungskräften. Wenn Menschen unsere Idee hinter alledem verstehen, können sie in ihrem täglichen Handeln einen Teil dazu beitragen. Wenn alle dasselbe Ziel verfolgen sollen, müssen das aber auch die Führungskräfte vorleben.
Nachhaltigkeit ist nicht mit einer einmaligen Investition geschafft, sondern braucht das Bewusstsein aller – von Auszubildenden über Produktionsmitarbeitende hin zu Führungskräften.
Viele mittelständische Unternehmen suchen angesichts der regulatorischen Anforderungen nach Expertise im Bereich Reporting. Einige fühlen sich damit allgemein überfordert. Wie geht es Ihnen?
Wir nehmen das speziell in Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern wahr. Früher drehte sich alles um unsere Produkte, um Qualität und Innovation. Mittlerweile haben Unternehmen durch die Regularien mehr Papierkram zu erledigen. Vorgaben sind wichtig, denn sie geben den richtigen Korridor vor. Eine Überregulation führt aber oft nicht zum erwünschten Ziel. In der Folge sprechen Unternehmer immer mehr über die Aufgabe von Unternehmensbereichen oder die Verlagerung von Standorten.
Hat „Made in Germany“ eine Zukunft?
Und wohin soll die Reise der P.A.C. GmbH in Zukunft gehen?
Wir wollen kontinuierlich jegliche Stellschrauben in der Entwicklung und der Produktion optimieren. Idealerweise müssen wir auch künftig nicht an den Produkten sparen, um die Preise für unsere Kunden zu halten. Unsere Produkte sollten sich sogar jedes Jahr qualitativ und funktionell weiterentwickeln. Den Beweis, erfolgreich in Deutschland zu produzieren, wollen wir auch weiterhin erbringen. Und dafür wollen wir an unseren Standorten wachsen, in der Hoffnung, dass Unternehmertum in Deutschland wieder attraktiver wird. Es macht Spaß und ist wirtschaftlich sinnvoll, in den Standort zu investieren.
Was könnte am Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver werden?
Ich bin optimistisch, dass politisch erkannt wird, welche Weichen gestellt werden müssen, damit Deutschland auch in Zukunft ein angesehener Produktionsstandort bleibt.
Viele Punkte sprechen für Deutschland, aber es sprechen auch viele dagegen. Beispielsweise wollen wir unser Werk auf ein Nachbargrundstück erweitern – das wird sicherlich einige Zeit dauern. Ich erwarte keinen starken Rückenwind, aber es reicht schon, keinen Gegenwind zu bekommen. Grundsätzlich bin ich aber kein Fan von schnelllebigen, populistischen Aussagen. So eine Situation müssen wir immer langfristig betrachten. Und ich bin optimistisch, dass politisch erkannt wird, welche Weichen gestellt werden müssen, damit Deutschland auch in Zukunft ein angesehener Produktionsstandort bleibt. Und der steht nun einmal nicht für billige Löhne – sondern für Qualität, Innovation und Zuverlässigkeit!
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