Kommentar

Werden Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr abgegeben, muss geprüft werden, ob dies als Lieferung oder im Rahmen einer sonstigen Leistung erfolgt. Nur als Lieferung kann die Abgabe bestimmter Speisen und Getränke dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen. Nach der früheren Rechtsprechung des BFH werden Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr im Rahmen einer sonstigen Leistung abgegeben, wenn neben der Zubereitung in den verzehrfertigen Zustand noch weitere Dienstleistungen hinzutreten[1]. In den letzten Monaten kamen dem BFH aber offensichtlich erhebliche Zweifel an der bisherigen Abgrenzung, sodass er in insgesamt vier Vorabentscheidungsersuchen[2] den EuGH zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Lieferung und der sonstigen Leistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken angerufen hat.

Wichtig

Derzeit sind die Abgrenzungskriterien zwischen Lieferung und sonstiger Leistung – und damit auch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes – bei Restaurationsumsätzen wieder völlig offen. Die Entscheidung des EuGH muss keine umsatzsteuerrechtliche Verbesserung für den Unternehmer ergeben; der EuGH könnte auch die Grenzen zulasten des ermäßigten Steuersatzes verschieben. Trotzdem sollten derzeit Streitfälle unter Hinweis auf die anhängigen EuGH-Verfahren offengehalten werden.

Die Finanzverwaltung hatte im Oktober 2008 ausführlich zu den Grundsätzen der Abgrenzung von Lieferung und sonstiger Leistung bei Restaurationsumsätzen Stellung genommen[3]. Vor dem Hintergrund der beim EuGH anhängigen Verfahren stellt die Finanzverwaltung jetzt fest, dass grundsätzlich an den Aussagen des Schreibens aus dem Oktober 2008 festgehalten wird[4]. Lediglich in einem Punkt erfolgt eine Konkretisierung der bisher vertretenen Auffassung: Während in dem Schreiben vom Oktober 2008 noch allgemein festgestellt wurde, dass sonstige Leistungen vorliegen, wenn bei einer Veranstaltung eine Bestuhlung vorhanden ist, die für den Verzehr von Speisen speziell ausgestattet ist, wird diese pauschale Aussage jetzt etwas konkretisiert. Die Bestuhlung in Kinos, Sporthallen und Stadien ist nicht als Verzehreinrichtung anzusehen, sofern keine zusätzlichen Vorrichtungen vorhanden sind, die den bestimmungsgemäßen Verzehr der Speisen und Getränke an Ort und Stelle ermöglichen.

Praxis-Tipp

Getränkehalter, die lediglich das bloße Abstellen von Getränken ermöglichen, sind keine solchen zusätzlichen Vorrichtungen.

Konsequenzen für die Praxis

Wo die Grenze zwischen Dienstleistung und Lieferung bei der Abgabe von Speisen und Getränken tatsächlich verläuft, wird wohl erst der EuGH – hoffentlich – aufzeigen. Bis dahin bestehen weiter erhebliche Unsicherheiten, ob und wann die vom BFH beschriebenen "Dienstleistungselemente" überwiegen und wann nicht. Die Finanzverwaltung kommt dem Unternehmer vermeintlich in einem Punkt schon jetzt etwas entgegen: Die Zurverfügungstellung einer Bestuhlung soll keine Dienstleistung darstellen, die die Abgabe von Speisen und Getränken insgesamt prägt. Der Verkauf von Getränken und vor allem von Popcorn in einem Kino ist nicht alleine deshalb eine Dienstleistung, weil eine Bestuhlung zur Verfügung gestellt wird. Das ist aber keine neue Erkenntnis, der BFH hatte dies schon im Februar 2009[5] eindeutig festgelegt, jetzt ist es auch bei der Finanzverwaltung angekommen.

Praxis-Tipp

Die Regelung ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn der Unternehmer für alle vor dem 1.7.2010 ausgeführten Umsätze die Bestuhlung als eine Verzehreinrichtung ansieht. In der Praxis wird dies aber kaum von Bedeutung sein, da solche Leistungen im Regelfall gegenüber Nichtunternehmern ausgeführt werden und damit kein wirtschaftliches Interesse an der Beibehaltung der alten Rechtsauffassung besteht.

 

Link zur Verwaltungsanweisung

BMF, Schreiben v. 29.3.2010, IV D 2 – S 7100/07/10050, BStBl 2010 I S. 330.

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