Überblick

In besonderen Fällen können mehrere Steuerbefreiungstatbestände gleichzeitig anwendbar sein. Bisher hatte die Finanzverwaltung keine systematische Hierarchie bezüglich der anzuwendenden Steuerbefreiungsvorschriften aufgestellt. Ein Problem kann sich dann ergeben, wenn für einen Umsatz sowohl eine allgemeine Steuerbefreiungsvorschrift (z. B. Ausfuhrlieferung), die einen Vorsteuerabzugsanspruch für Vorleistungen zulässt, als auch eine spezielle Steuerbefreiungsnorm (z. B. Lieferung bisher steuerbefreit genutzter Gegenstände nach § 4 Nr. 28 UStG), die keinen Vorsteuerabzugsanspruch zulässt, gleichermaßen anzuwenden ist. Unter Anwendung des Gemeinschaftsrechts stellt die Finanzverwaltung jetzt fest, dass die speziellen Befreiungstatbestände den allgemeinen vorgehen.

 

Kommentar

Die rechtliche Problematik

Der EuGH[1] hatte schon 2006 entschieden, dass ein Unternehmer dann keinen Vorsteuerabzug aus Vorleistungen hat, wenn er mit den bezogenen Leistungen zwar eine innergemeinschaftliche Lieferung ausführt, die Leistung national aber einer anderen Steuerbefreiung unterliegt, die den Vorsteuerabzug ausschließt.

Wichtig

Insbesondere die steuerbefreiten Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen schließen den Vorsteuerabzug aus damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen nicht aus (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG).

Der EuGH hatte 2006 festgestellt, dass ein Unternehmer, alleine deshalb, weil er einen innergemeinschaftlichen (steuerbefreiten) Umsatz ausführen würde, im Ergebnis nicht besser gestellt sein darf, als ein Unternehmer, der im Inland eine nach einer anderen Rechtsvorschrift steuerbefreite Tätigkeit ausübt.

In Deutschland ergab sich weder aus dem systematischen Aufbau des § 4 UStG noch aus den Verwaltungsanweisungen bisher eine systematische Hierarchie zur Anwendung der Steuerbefreiungsnormen.

Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen

Wichtig

Das BMF-Schreiben ändert an insgesamt 13 Stellen den konsolidierten Anwendungserlass.

Das BMF nimmt nunmehr zu dem 5 Jahre alten Urteil des EuGH Stellung und übernimmt dessen Aussagen als allgemeinen Grundsatz.

Wichtig

Die Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeiten (§ 4 Nr. 8 – 28, § 25c Abs. 1 und Abs. 2 UStG) gehen den Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzugsberechtigung (§ 4 Nr. 1 – 7 UStG) vor.

Die Regelungen betreffen insbesondere die folgenden Sachverhalte:

Praxis-Tipp

Die Umsätze von blinden Unternehmern sind aber grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 UStG optionsfähig, sodass bei Verzicht auf die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 19 UStG eine Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung erfolgen kann.

  • Leistungen der Jugendhilfe: Liegen die Voraussetzungen für steuerbefreite Leistungen im Zusammenhang mit der Jugendhilfe vor und handelt es sich gleichzeitig um steuerfreie Reiseleistungen nach § 25 Abs. 2 UStG (Reiseleistungen, für die Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet in Anspruch genommen werden), geht die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 25 UStG vor.
  • Lieferung im Rahmen befreiter Hilfsgeschäfte nach § 4 Nr. 28 UStG: Führt der Unternehmer eine nach § 4 Nr. 28 UStG steuerbefreite Lieferung eines Gegenstands (im Rahmen eines Hilfsgeschäfts) aus, für die auch die Steuerbefreiung als Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG) oder als innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) infrage kommen könnte, geht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG vor.
Praxis-Tipp

Die Finanzverwaltung ändert in diesem Zusammenhang an insgesamt 13 Stellen den UStAE. Die Änderungen beziehen sich aber alle auf die vorgenannten Fälle.

Konsequenzen für die Praxis

Das BMF-Schreiben setzt konsequent die Interpret...

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