Überblick
Mit den neuen Umsatzsteuerrichtlinien 2008 hatte die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des EuGH bei der Lieferung im Zusammenhang mit der Seeschifffahrt und der internationalen Luftfahrt umgesetzt. Danach ist eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 i. V. mit § 8 UStG nur dann möglich, wenn die Leistung direkt an einen begünstigten Unternehmer ausgeführt wird. Bisher waren auch bestimmte Leistungen auf den Vorstufen (z. B. im Rahmen eines Reihengeschäfts) befreit, wenn am Ende der Leistungskette ein begünstigter Unternehmer stand. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber vorläufig bei der Lieferung eines Wasserfahrzeugs oder eines Luftfahrzeugs nicht, wenn auch auf Vorstufen diese Lieferungen steuerbefreit behandelt werden, soweit im Zeitpunkt der Lieferung die begünstigte Verwendung endgültig feststeht und von den Unternehmern nachgewiesen wird.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Von der Steuerbegünstigung für die Seeschifffahrt sind insbesondere die Lieferungen und Arbeiten (Umbauten und Instandsetzungen) an bestimmten Seeschiffen (Seeschiffe für die gewerbliche Seeschifffahrt und Seeschiffe zur Rettung Schiffsbrüchiger) begünstigt. Aber auch Leistungen im Zusammenhang mit den Gegenständen zur Ausrüstung eines solchen Seeschiffes sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 4 Nr. 2 UStG steuerfrei. Darüber hinaus sind – unter einschränkenden Voraussetzungen – auch Lieferungen von Gegenständen für die Versorgung von Seeschiffen und Kriegsschiffen steuerbefreit, § 8 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 UStG. Im Rahmen einer im Gesetz nicht näher spezifizierten Generalnorm werden abschließend alle anderen sonstigen Leistungen, die dem unmittelbaren Bedarf begünstigter Seeschiffe oder ihrer Ausrüstungsgegenstände dienen, nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG steuerbegünstigt.
Bei den Umsätzen für die internationale Luftfahrt sind vergleichbare Arten von Leistungen von der Steuerbegünstigung erfasst. Anders als bei der Begünstigung für die Seeschifffahrt ist bei den Umsätzen für die Luftfahrt nicht darauf abzustellen, ob die Leistung für ein bestimmtes begünstigtes Fahrzeug ausgeführt wird oder ob die Leistung gegebenenfalls nur für einen Inlandsflug verwendet wird. Die Regelung des § 8 Abs. 2 UStG ist eine im Wesentlichen personenbezogene Befreiungsvorschrift. Unter die Begünstigung fallen alle Luftfahrtgesellschaften, die überwiegend im entgeltlichen internationalen Luftverkehr tätig sind oder ausschließlich Beförderungsleistungen auf Auslandsstrecken erbringen.
Schon 1990 musste sich der EuGH mit der Befreiung von Lieferungen zur Ausrüstung und Versorgung eines Seeschiffes auseinandersetzen. Der EuGH sah die systematische Begründung für die Steuerbefreiung der mit der Seeschifffahrt oder der internationalen Luftfahrt zusammenhängenden Umsätze darin, dass sie Ausfuhrumsätzen gleichgestellt sind. Damit kann eine Befreiung nach Auffassung des Gerichts – wie bei den anderen Ausfuhrumsätzen (z. B. der Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG) – nur für die endgültige Lieferung an den Betreiber eines Seeschiffs in Betracht kommen. Begründet wurde diese Auffassung durch den EuGH weiterhin damit, dass in den Fällen einer sich über mehrere Handelsstufen erstreckenden Anwendung der Befreiung die Mitgliedstaaten Kontroll- und Überwachungsmechanismen einführen müssten, um sich der endgültigen Bestimmung der gelieferten Gegenstände zu vergewissern, die gerade nicht zu einer verwaltungsmäßigen Vereinfachung führen würden. Im Gegenteil würde eine solche Regelung den Wirtschaftsteilnehmern Verpflichtungen auferlegen, die mit einer korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften nicht im Einklang stehen würden.
In einem Urteil vom 14.9.2006 hatte der EuGH seine Rechtsprechung aus 1990 in vollem Umfang bestätigt und auch auf Dienstleistungen nach Art. 15 Nr. 8 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 148 Buchst. d MwStSystRL) erweitert. Mit gleicher Begründung – insbesondere dem Vergleich zu den Steuerbefreiungen bei Ausfuhrumsätzen sowie dem Hinweis auf die ansonsten notwendigen Kontroll- und Überwachungsmechanismen – hatte der EuGH festgestellt, dass zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts erforderlich ist, dass auch bei ausgeführten Dienstleistungen die Steuerbefreiung nur dann in Betracht kommen kann, wenn die Leistung direkt an den Reeder ausgeführt wird.
Die Finanzverwaltung hatte daraus in Abschn. 145 Abs. 1 und Abschn. 146 Abs. 1 UStR 2008 den Schluss gezogen, dass eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 i. V. mit § 8 UStG nur dann in Betracht kommen kann, wenn die Leistung unmittelbar an den begünstigten Unternehmer ausgeführt wird. Auf die Art des ausgeführten Umsatzes soll es dabei dann nicht mehr ankommen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Entgegen der aus systematischer Sicht und der Rechtsprechung des EuGH zutreffenden Umsetzung in den UStR 2008 scheint die Finanzverwaltung – zumindest vorläufig – in bestimmten Fällen von der umfassenden Aussage in Abschn. 145 Abs. 1 und Abschn. 146 Abs. 1 UStR 2008 abzurücken....