Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Der EuGH hatte im Mai 2012 zu der Abgabe von Monofunktionskarten in der Telekommunikationsbranche entschieden, dass der Verkauf solcher Karten an einen Vertriebshändler eine entgeltliche Telekommunikationsleistung darstellt.
Eine Monofunktionskarte (Einzweckguthabenkarte) liegt vor, wenn es dem Abnehmer ermöglicht wird, darüber Anrufe über die zur Verfügung gestellte Infrastruktur zu tätigen, alle notwendigen Informationen zur Tätigung der Anrufe darauf enthalten sind und die Verwendung des Guthabens für andere Leistungen technisch ausgeschlossen ist.
Die Finanzverwaltung nimmt jetzt zu diesem Urteil Stellung und ändert hinsichtlich der Monofunktionskarten ihre seit 2001 vertretene Auffassung. Es wird jetzt grundsätzlich anerkannt, dass die Ausgabe dieser Telekommunikationskarten eine Telekommunikationsdienstleistung darstellt, eine Lieferung liegt nicht vor, da das Interesse des Kunden nicht auf die Verfügungsmacht an der Karte gerichtet ist.
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Leistung schon mit Ausgabe der Monofunktionskarte erbracht ist (Ermöglichung der Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen). Bisher wurde davon ausgegangen, dass erst bei Aktivierung der Karte eine Anzahlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG vorliegt.
Da die Leistung schon in der Ermöglichung der Inanspruchnahme der Telefondienstleistung besteht, entsteht die Umsatzsteuer (bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (i. d. R. die Herausgabe der Karte, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG).
Regelmäßig werden solche Telefonkarten nicht direkt an den Kunden abgegeben, sondern über ein Vertriebshändlernetz. Dabei können sich die folgenden Vertriebsmöglichkeiten ergeben:
- Der Vertriebshändler tritt gegenüber dem Kunden in eigenem Namen und für eigene Rechnung auf: Der Anbieter führt gegenüber dem Vertriebshändler eine Telekommunikationsdienstleistung aus (diese wird regelmäßig am Sitzort des Leistungsempfängers ausgeführt sein, § 3a Abs. 2 UStG). Der Vertriebshändler führt seinerseits eine Telekommunikationsleistung gegenüber seinem Kunden aus (der Ort der Leistung richtet sich in diesem Fall nach dem Status des Leistungsempfängers).
- Der Vertriebshändler tritt gegenüber dem Kunden in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung auf: Es liegt eine Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG vor, bei der die Telekommunikationsdienstleistung als an den Vertriebshändler ausgeführt gilt und er gleichzeitig eine Telekommunikationsdienstleistung an seinen Kunden ausführt; die Rechtsfolgen ergeben sich wie bei 1.
- Der Vertriebshändler tritt im fremden Namen und für fremde Rechnung auf (Vermittler/Agent): Der Anbieter erbringt die Telekommunikationsdienstleistung gegenüber dem Endkunden; der Vertriebshändler führt eine Vermittlungsleistung (regelmäßig wohl gegenüber dem Anbieter) aus, deren Ort sich nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt (Sitzort des Anbieters).
Die Regelungen sind grundsätzlich auf alle noch offenen Fälle anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn für alle vor dem 1.1.2013 entgeltlich abgegebenen Monofunktionskarten die umsatzsteuerliche Behandlung noch nach dem BMF-Schreiben von 2001 vorgenommen wird.
Konsequenzen für die Praxis
Die Regelungen gelten nach dem BMF-Schreiben grundsätzlich nur für die Monofunktionskarten, bei denen von Beginn an die Festlegung auf einen Anbieter erfolgt ist und weitere Dienstleistungen nicht in Anspruch genommen werden können.
Für Multifunktionskarten bleibt es weiterhin bei den Anwendungsgrundsätzen aus dem BMF-Schreiben von 2001.
Die Schwierigkeiten bei der richtigen Beurteilung des Orts der Leistung im Einzelfall bleiben aber auch durch diese Regelungen bestehen. Tritt ein Vertriebshändler als Vermittler auf, wird die Telekommunikationsdienstleistung des Anbieters direkt gegenüber dem Endkunden ausgeführt. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich dann danach, ob der Leistungsempfänger
- ein Unternehmer ist, der die Leistung für sein Unternehmen bezieht (dann § 3a Abs. 2 UStG),
- ein Nichtunternehmer ist und aus dem Gemeinschaftsgebiet kommt (dann § 3a Abs. 1 UStG)
- oder ein Nichtunternehmer aus dem Drittlandsgebiet ist (dann § 3a Abs. 4 UStG).
Darüber hinaus sind die Sonderregelungen des § 3a Abs. 6 Nr. 3 und des § 3a Abs. 8 Satz 2 UStG zu beachten. Einzelheiten, die in der Praxis kaum von einem Vertriebspartner umgesetzt werden dürften.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 24.9.2012, IV D 2 – S 7100/08/10004 :004, BStBl 2012 I S. 947