Kommentar

Nach dem EuGH-Urteil[1] zur Steuerpflicht der Eigennutzung von Räumen in einem dem Unternehmen zugeordneten Gebäude im Jahr 2003 hatte die Finanzverwaltung mit einem Bündel von Maßnahmen auf dieses neue Gestaltungsmodell reagiert. Unter anderem wurde in einem Schreiben vom 13.4.2004[2] die Entnahme eines Grundstücks – soweit ein Vorsteuerabzug aus der Anschaffung vorgenommen werden konnte – als steuerbare Entnahme nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG (unentgeltliche Lieferungen) angesehen, die nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sei.

Diese als Abwehrmaßnahme anzusehende Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung[3] wurde in der Literatur überwiegend abgelehnt. Grundsätzlich war diese Rechtsauffassung auch in Abschn. 71 Abs. 1 Satz 1 UStR 2008 weiterhin übernommen worden. In der Folgezeit wurde die Auffassung der Finanzverwaltung dahingehend präzisiert, dass die Entnahme dann nicht steuerfrei sein könne, wenn es nicht zu einem Rechtsträgerwechsel kommen würde, da dann kein unter das Grunderwerbsteuergesetz unterliegender Vorgang vorhanden sein würde[4].

Nach Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens[5] hat jetzt die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 22.9.2008 eingelenkt: Die nach § 3 Abs. 1b UStG steuerbare Entnahme eines Grundstücks ist – unabhängig eines Rechtsträgerwechsels – eine steuerfreie Entnahme nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG. Damit unterliegt sowohl die Überführung eines solchen Grundstücks in das Privatvermögen eines Dritten wie auch die Entnahme des Grundstücks in das eigene Privatvermögen nicht der Umsatzsteuerpflicht.

Wichtig

Die neue Rechtsauffassung ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Allerdings können sich Steuerpflichtige für alle vor dem 1.10.2008 ausgeführten Entnahmen noch auf die frühere Rechtsauffassung der Finanzverwaltung berufen. Dies dürfte sich aber für den Steuerpflichtigen kaum als sinnvoll erweisen.

Konsequenzen für die Praxis

Für alle Personen, die in der Vergangenheit auch die für nichtunternehmerische Zwecke verwendeten Gebäudeteile dem Unternehmen zugeordnet und damit den vollen Vorsteuerabzug aus diesen Gebäudeteilen vorgenommen hatten, kann jetzt in einer zentralen Frage Entwarnung gegeben werden: Die Entnahme des Gebäudes ist auch in den Fällen steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG, in denen der Unternehmer dieses Gebäude in sein eigenes Privatvermögen entnimmt und somit kein Rechtsträgerwechsel stattfindet. Eine Umsatzsteuer auf den Zeitwert des Gebäudes kann somit nicht entstehen.

Praxis-Tipp

Kommt es aber zu einer Entnahme innerhalb von zehn Jahren seit Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes, so muss bei einer steuerfreien Entnahme des Gegenstands eine Vorsteuerberichtigung zulasten des Unternehmers nach § 15a UStG vorgenommen werden.

Praxis-Beispiel

Rechtsanwalt R hatte in 2004 (erstmalige Nutzung zum 1.7.2004) ein Doppelhaus gebaut, das er zur Hälfte für seine unternehmerische Tätigkeit als Rechtsanwalt und zur anderen Hälfte für private Wohnzwecke nutzte. R hatte 2004 das Gebäude in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet und die ihm bei dem Bau des Hauses berechneten Umsatzsteuerbeträge von 120.000 EUR in vollem Umfang als Vorsteuer abgezogen. Die Eigennutzung der Hälfte des Gebäudes hat R seitdem ordnungsgemäß nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG besteuert. Nach Heirat in 2007 und der Geburt von Zwillingen im Sommer 2008 möchte R das Gebäude in Zukunft ausschließlich für private Wohnzwecke verwenden; er verlegt deshalb zum 31.12.2008 seine Rechtsanwaltskanzlei in Mieträume.

Da R sein Haus nicht mehr für unternehmerische Zwecke nutzt und auch nicht in (naher) Zukunft wieder für unternehmerische Zwecke verwenden möchte, ist das Gebäude zwingend aus dem Unternehmen zu entnehmen. Die Entnahme ist nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar, aber nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Damit hat sich innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraums von 10 Jahren (1.7.2004 bis 30.6.2014) eine Verwendungsänderung ergeben. Dabei ist nach § 15a Abs. 4 und Abs. 6 UStG a. F.[6] zu unterstellen, dass das Gebäude vom Zeitpunkt der Entnahme bis zum Ende des Berichtigungszeitraums für steuerfreie Zwecke verwendet wurde. Da von dem insgesamt 120 Monate umfassenden Berichtigungszeitraum vom 1.7.2004 bis zum 31.12.2008 erst 54 Monate vergangen sind, müssen noch 66 Monate berichtigt werden. Der Berichtigungsbetrag beläuft sich damit auf (120.000 EUR <Umsatzsteuerbetrag> × 66/120 <zu berichtigende Restzeit> × – 100 % <Verwendungsänderung> =) – 66.000 EUR. R muss in seiner Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2008[7] einen Vorsteuerberichtigungsbetrag in Höhe von 66.000 EUR zu seinen Lasten anmelden und in der gesetzlichen Frist an sein Finanzamt abführen, § 44 Abs. 4 UStDV.

Bei Entnahmen, die bis zum 30.9.2008 vorgenommen worden sind, kann der Unternehmer allerdings die Entnahme auch noch nach der bisherigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nach Abschn. 71 Abs. 1 Satz 1 UStR 2008 steuerpflichtig erfassen, soweit ein Rechts...

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