Gem. Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von der MwStSystRL abweichende Sondermaßnahmen anzuwenden, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt als nicht für das Unternehmen ausgeführt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt. Diese Regelung hat keine unmittelbare Grundlage in der MwStSystRL. Sie beruht darauf, dass Deutschland ursprünglich mit der Entscheidung 2000/186/EG des Rates ermächtigt worden war, von den Art. 6 und 17 der 6. EG-Richtlinie abweichende Regelungen einzuführen und bis zum 31.12.2002 anzuwenden. Diese Ermächtigung war mehrfach und zuletzt mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1776 bis zum 31.12.2024 verlängert worden. Mit Durchführungsbeschluss (EU) 2024/2885 wurde diese Ratsermächtigung bis 31.12.2027 verlängert.
Mit Durchführungsbeschluss (EU) 2024/3013 ist Österreich unter Änderung des Durchführungsbeschlusses 2009/1013/EU ermächtigt worden, weiterhin eine von den Art. 168 und 168a MwstSystRL abweichende Regelung anzuwenden. Damit ist es Österreich erlaubt, weiterhin (befristet bis 31.12.2027) für Gegenstände und Dienstleistungen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke eines Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke oder nichtwirtschaftliche Tätigkeiten verwendet werden, vollständig das Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen. Zuletzt war Österreich durch den Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1779 befristet bis 31.1.2024 ermächtigt worden, diese Regelung zu praktizieren.
Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2024/2884 ist Kroatien unter Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/1994 ermächtigt werden, weiterhin, bis 31.12.2027, das Vorsteuerabzugsrecht bezüglich des Erwerbs und des Leasings von bestimmten Pkw, einschließlich des Erwerbs von Zubehör sowie der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung damit, auf 50 % zu begrenzen, wenn diese Fahrzeuge nicht ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt werden. Im Zuge dieser Ermächtigung werden Unternehmer auch von der Verpflichtung entbunden, die unternehmensfremde Nutzung dieser Pkw als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Unter diese Sonderregelung fallen Kraftfahrzeuge zur Personenbeförderung mit höchstens 8 Sitzplätzen zusätzlich zum Fahrersitz. Pkw, die für bestimmte Tätigkeiten genutzt werden, sind jedoch von der Begrenzung des Vorsteuerabzugsrechts ausgenommen und fallen unter die normale Regelung. Dies gilt für Fahrzeuge, die für die Fahrerausbildung, die Fahrzeugtestung, Reparaturdienste, die geschäftsmäßige Beförderung von Personen und Gegenständen, die Beförderung von Leichen, die Vermietung und den Kauf zum Zwecke des Wiederverkaufs bestimmt sind.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 21.11.2024 soll Lettland mit Änderung des Durchführungsbeschlusses 2009/1008/EU ermächtigt werden, weiterhin, bis 31.12.2026, bei Lieferungen von Holz oder damit zusammenhängenden Dienstleistungen das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden. Außerdem soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 23.10.2024 Lettland mit Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/2429 ermächtigt werden, weiterhin, bis 31.12.2027, das Recht auf Vorsteuerabzug bei Ausgaben für Pkw, die nicht ausschließlich für unternehmerische Zwecke verwendet werden, auf 50 % zu begrenzen und die Nutzung eines dem Unternehmen eines Steuerpflichtigen zugeordneten Pkw für private Zwecke gleichzeitig nicht als steuerbare unentgeltliche Wertabgabe zu behandeln.
Nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 24.10.2024 soll Ungarn mit Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/1493 ermächtigt werden, weiterhin, bis 31.12.2027, das Recht auf Vorsteuerabzug bei Ausgaben im Zusammenhang mit Pkw, die nicht ausschließlich für geschäftliche Zwecke genutzt werden, auf 50 % zu begrenzen, und abweichend von Art. 26 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL gleichzeitig die Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw für den unternehmensfremden Bedarf des Steuerpflichtigen nicht als steuerbare unentgeltliche Wertabgabe zu behandeln. Außerdem soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission vom 21.11.2024 Ungarn mit Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/789 ermächtigt werden, weiterhin, bis 31.12.2026, das Reverse-Charge-Verfahren auch anzuwenden auf Lieferungen durch Unternehmer, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden, nämlich die Lieferung von Investitionsgütern sowie die Lieferung anderer Gegenstände oder die Erbringung von Dienstleistungen mit einem Normalwert von über 100 000 HUF.