Überblick

In einem Nichtanwendungserlass stellt sich die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH entgegen, dass bestimmte, von einem Studentenwerk ausgeführte Umsätze, die nach nationalen Rechtsvorschriften nicht steuerbefreit sind, unter Anwendung des Gemeinschaftsrechts steuerfrei sein können. Die vom BFH in 2005 und 2006 gefällten Urteile zur kurzfristigen Vermietung von Räumen in einem Studentenwohnheim und zur Abgabe von Mahlzeiten durch ein Studentenwerk sind über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden. Das BMF sieht sich hier gestärkt durch ein Urteil des EuGH aus 2007, nach dem ein solch begünstigter Umsatz immer von der Einrichtung ausgeführt werden muss, der auch die Hochschulleistungen erbringt. Für Vermietungsleistungen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn sich ein Studentenwerk für die Leistungen bis zum 31.12.2007 auf das Urteil des BFH beruft.

 

Kommentar

Die rechtliche Problematik

Der BFH hatte in seiner Entscheidung von 2005[1] entschieden, dass die Vermietung von Wohnraum durch ein Studentenwerk an Bedienstete, die in dem Studentenwohnheim tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewähren, nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL[2] steuerbefreit ist. Der BFH hatte zutreffend entschieden, dass eine Steuerbefreiung bei der Ausführung von Leistungen durch ein Studentenwohnheim nicht nach § 4 Nr. 23 UStG vorliegen kann, da die Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben waren. Nach Auffassung des BFH können sich aber die Studentenwerke auf das für sie günstigere Gemeinschaftsrecht berufen, das in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL auch diejenigen eng mit Hochschulunterricht verbundene Umsätze steuerbefreit, die von Einrichtungen ausgeführt werden, die vergleichbare Ziele verfolgen. Nach Auffassung des BFH sind auch die Vermietungsleistungen[3] an Bedienstete, die in dem Studentenwohnheim tätig sind, um die Unterbringung von Studenten am Hochschulort zu gewähren, von dieser Befreiung erfasst. Wäre die Leistung nicht befreit, so würden sich dadurch die Kosten eines Hochschulstudiums erhöhen, womit der Zugang zum Studium erschwert werden würde.

In einem Urteil in 2006 hatte der BFH[4] darüber hinaus – mit gleicher Begründung – die Abgabe von Mahlzeiten an Studenten und Bedienstete, die mit der Betreuung der Studenten beauftragt sind, nach dem Gemeinschaftsrecht als steuerbefreit angesehen.

Wesentlich für die Rechtsauffassung des BFH war, dass nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL auch jede andere Einrichtung mit einer vom betreffenden Mitgliedstaat anerkannten vergleichbaren Zielsetzung solche steuerbegünstigten Leistungen ausführen kann.

Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen

Die Finanzverwaltung geht ausführlich auf die Leitsätze der beiden Entscheidungen des BFH ein, sieht dann aber die Steuerbefreiung unter Berufung auf ein Urteil des EuGH[5] als nicht gegeben und hat jetzt mit einem Nichtanwendungserlass reagiert.

Wichtig

Nach Auffassung der Verwaltung sind die vom BFH als begünstigt angesehenen Leistungen nicht von der Hochschule selber, sondern von anderen Einrichtungen ausgeführt worden (Studentenwerk), die nicht die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfüllen. Damit sind die beiden Urteile des BFH über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden.

Die Finanzverwaltung sieht es nicht als ausreichend an, dass dem Studentenwerk im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt.

Wichtig

Da das Urteil über die Steuerbefreiung der Vermietung in Studentenwohnheimen an Bedienstete schon in 2005 im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden war, wird es nicht beanstandet, wenn sich Steuerpflichtige für Umsätze, die vor dem 1.1.2008 ausgeführt werden, auf dieses Urteil berufen. Dies gilt jedoch nicht für die Abgabe von Mahlzeiten durch ein Studentenwerk.

Konsequenzen für die Praxis

Es wird vorerst noch weiter strittig bleiben, wie weit die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL auszulegen ist. Die Auffassung des BFH, dass sich in den Fällen, in denen Bedienstete von Studentenwohnheimen nicht steuerbegünstigt in dem Wohnheim (kurzfristig) untergebracht werden können, sich die Kosten der Unterbringung der Studenten erhöhen würden und damit der Zugang zum Studium erschwert werden würde, mag für sich genommen nicht das überzeugende Argument gewesen sein. Alleine mit diesem Argument könnte die Ausführung steuerpflichtiger Leistungen an Studenten für deren Studium immer in Zweifel gezogen werden.

Ob aber die Schlussfolgerung der Finanzverwaltung aus dem EuGH-Urteil die einzig mögliche Schlussfolgerung ist, ist auch nicht sicher. Ob ein Studentenwerk eine Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL sein kann, insbesondere, ob sie ein gleichgerichtetes Ziel verfolgt, wird wohl erst noch durch die Rechtsprechung geklärt werden müssen.

Praxis-Tipp

Vorläufig sollten vergleichbare Fälle noch offen gehalten werden bis feststeht, wie weit die Auslegung der "anderen Einricht...

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