Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Wird ein Miet- oder Leasingvertrag über einen Gegenstand abgeschlossen, stellt sich die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt. Bisher war national bei Leasingverträgen davon ausgegangen worden, dass regelmäßig auf ertragsteuerrechtliche Abgrenzungen abgestellt wird – insbesondere auf die Frage, wem ein Wirtschaftsgut ertragsteuerrechtlich zuzuordnen ist. Nach einem Urteil des EuGH vom Oktober 2017 war diese ertragsteuerrechtliche Anknüpfung so nicht mehr haltbar. Die Finanzverwaltung ändert daher die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen im UStAE.
Die rechtliche Problematik
Leasing- oder auch bestimmte Mietverträge können je nach ihrer Ausgestaltung als Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht über einen Gegenstand) oder als sonstige Leistung (Nutzungsüberlassung über einen Gegenstand) angesehen werden. Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung vorliegt, hat entscheidenden Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung – vom Ort der Leistung über die Frage der Steuerpflicht bis hin zum Zeitpunkt und der Höhe der Steuerentstehung. Soweit sich der Sachverhalt nur im Inland abspielt, ist die Unterscheidung relevant für die Frage, wann bei dem leistenden Unternehmer in welcher Höhe eine Umsatzsteuer entsteht und für den (vorsteuerabzugsberechtigten) Leistungsempfänger, wann die Leistung ausgeführt ist und damit ein Vorsteuerabzugsanspruch vorliegt.
Bisher war die Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass eine Lieferung des Gegenstands vorliegt, wenn der Leasingnehmer wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen konnte. Davon wurde in aller Regel ausgegangen, wenn der Leasing-Gegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zuzurechnen war. War ein Mietvertrag über einen Gegenstand abgeschlossen worden, wurde von einer Lieferung ausgegangen, wenn das zivilrechtliche Eigentum spätestens bei Zahlung der letzten Rate auf den "Mieter" überging. War der zivilrechtliche Übergang von weiteren Bedingungen – z. B. einer Optionserklärung – abhängig, war eine Lieferung erst dann anzunehmen, wenn diese ausgeübt wurde.
Unionsrechtlich ist in Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL geregelt, dass bei einem Mietvertrag, der die Klausel enthält, dass das Eigentum unter normalen Umständen spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird, eine Lieferung (= Verschaffung der Verfügungsmacht) vorliegt.
Der EuGH hatte schon in einer Entscheidung im Oktober 2017 diese Regelung auch für einen Mietvertrag mit Kaufoption angewendet, wenn aufgrund der finanziellen Vertragsbedingungen davon ausgegangen werden kann, dass die Optionsausübung zum gegebenen Zeitpunkt (Ende der Vertragslaufzeit) als die einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint.
Nach der EuGH-Entscheidung war absehbar, dass an der nationalen Anknüpfung an die ertragsteuerrechtliche Unterscheidung nicht mehr festgehalten werden konnte.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung ändert mit ihrem Schreiben die bisherige Verwaltungsauffassung und passt insbesondere Abschn. 3.5 Abs. 5 UStAE an die Rechtsprechung des EuGH an.
Damit bei einem Leasingvertrag oder einem auf Übertragung des Eigentums gerichteten Mietvertrag von einer Lieferung ausgegangen werden kann, müssen kumulativ 2 Voraussetzungen vorliegen:
- Der Vertrag muss ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Gegenstand des Miet- oder Leasingvertrags vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten und
- aus den Vertragsbedingungen muss deutlich hervorgehen, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen und sind Voraussetzungen aus objektiver Sicht zu beurteilen.
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass eine Klausel zum Eigentumsübergang auch dann vorliegt, wenn in dem Vertrag lediglich eine Kaufoption für den Gegenstand enthalten ist.
Zur Prüfung, ob auch die zweite Bedingung erfüllt ist, übernimmt die Finanzverwaltung die Formulierungen aus dem EuGH-Urteil. Auch bei einer im Vertrag enthaltenen unverbindlichen Kaufoption soll die Bedingung erfüllt sein, wenn angesichts der finanziellen Vertragsbedingungen die Optionsausübung am Vertragsende in Wirklichkeit als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Dabei darf der Vertrag dem Leasingnehmer keine echte wirtschaftliche Alternative bieten, dass er zum Optionszeitpunkt, je nach Interessenlage den Gegenstand erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann.
Nach den Vorgaben der Finanzverwaltung ist dann keine solche wirtschaftliche Alternative gegeben, wenn die Summe der vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstands einschließlich der Finanzierungskosten entspricht und der Leasingnehmer wegen der Ausübung der Option nicht zusätzlich eine erh...