Kommentar
Zum 1.1.2010 ist durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Ermäßigung des Steuersatzes für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden in Kraft getreten. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollten aber nur die unmittelbar der Vermietung dienenden Leistungen unter den ermäßigten Steuersatz fallen. Damit sind die Verpflegungsleistungen (Frühstück, Halb- oder Vollpension) dem Regelsteuersatz zu unterwerfen, auch wenn sie im Entgelt für die Vermietung der Wohn- und Schlafräume mit abgegolten sind.
Der BFH hatte aber – vor Inkrafttreten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes – in einem Urteil festgestellt, dass die Abgabe der Verpflegung an Hotelgäste eine Nebenleistung zur Übernachtung ist und denselben umsatzsteuerrechtlichen Regelungen unterliegt, wie die Hauptleistung.
In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es nicht um die Frage des Steuersatzes, sondern um den Ort der Leistung bei der Abgabe von Verpflegungspaketen. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass diese Leistungen ebenfalls am Leistungsort der Übernachtung (Grundstücksort nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG) erbracht sind.
Das BMF gibt nun zu diesem Urteil des BFH einen Nichtanwendungserlass heraus. Nach Auffassung der Finanzverwaltung reichen die vom BFH herangezogenen Kriterien zur Abgrenzung der Verpflegungsleistung (von Frühstücksleistungen bis zum all-inclusive-Angebot) von der Hauptleistung nicht aus. Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass die Verpflegungsleistungen nicht nur dazu geeignet sind, die Übernachtungsleistung unter optimalen Bedingungen zu erbringen, sondern für den Leistungsempfänger einen eigenen Zweck darstellen. Dies sei insbesondere durch die verschiedenen Formen der Inanspruchnahme der Verpflegungsleistungen begründbar und auch dadurch, dass Übernachtungsleistungen in vielen Fällen auch ohne Verpflegungsleistungen – selbst ohne Frühstück – in Anspruch genommen werden.
Die Verpflegungsleistungen teilen somit – wenn der Auffassung der Finanzverwaltung gefolgt wird – weiterhin nicht das Schicksal der Hauptleistung "Übernachtung" und stellen somit eigene Leistungen des Unternehmers dar. Diese Leistungen sind nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG dort ausgeführt, wo der Unternehmer für diesen Umsatz tätig wird.
Konsequenzen für die Praxis
Das Urteil des BFH bezog sich auf den Ort, an dem die Verpflegungsleistung vom leistenden Unternehmer ausgeführt wurde. Der Nichtanwendungserlass bezieht sich insoweit auch auf die Ortsbestimmung für diese Leistungen. Die Zielrichtung des Nichtanwendungserlasses ist aber offensichtlich eine andere: Würden die Verpflegungsleistungen als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung (Übernachtung) teilen, müsste – entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG – die Verpflegungsleistung in einem Hotel – zumindest das Frühstück – ab dem 1.1.2010 ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Ob der Gesetzgeber durch eine interpretationsbedürftige Formulierung in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG den Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebenleistung einfach aufheben kann, muss bezweifelt werden.
Ob die vom Gesetzgeber gewollte Abgrenzung zwischen Übernachtungsleistung und Verpflegungsleistung mit den allgemeinen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in Einklang zu bringen ist, muss sicher noch gerichtlich geklärt werden.
Der Nichtanwendungserlass ist somit aus Sicht der Finanzverwaltung folgerichtig, bevor nicht eine eindeutige gerichtliche Klärung dieser Frage vorliegt. Damit ergibt sich für den leistenden Unternehmer aber wieder eine äußerst unglückliche Situation: Geht er mit der Finanzverwaltung davon aus, dass die Verpflegungsleistungen als eigenständige Leistung dem Regelsteuersatz unterliegen und weist er dies in seinen Rechnungen auch so aus, wird sich dies später nicht mehr korrigieren lassen, selbst wenn gerichtlich auch auf diese Leistungen der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.
Weist der Unternehmer in seiner Rechnung für diese Leistungen den Regelsteuersatz aus und stellt sich später heraus, dass nur der ermäßigte Steuersatz anzuwenden gewesen wäre, würde der leistende Unternehmer die Differenz nach § 14c Abs. 1 UStG schulden – eine Korrektur wäre dann nur bei einer Rechnungsberichtigung möglich.
Geht der Unternehmer davon aus, dass die Verpflegungsleistung als Nebenleistung wie die Übernachtungsleistung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, würde es für den Unternehmer zu einer erheblichen Belastung kommen, wenn sich dies gerichtlich nicht durchsetzen lassen sollte. Deshalb ist bei Abwägung der Gründe trotz einiger Zweifel dem Unternehmer zu raten, weiterhin den Regelsteuersatz für die Verpflegungsleistungen anzusetzen.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 4.5.2010, IV D 2 – S 7100/08/10011: 009, BStBl 2010 I S. 490.