Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Bei der Organschaft im Umsatzsteuerrecht gibt es keine zeitlichen Beschränkungen. Eine Organschaft liegt zwingend ab dem Zeitpunkt vor, an dem alle 3 Eingliederungsvoraussetzungen erstmals gleichzeitig vorliegen.
Keine zeitliche Bindungswirkung
Die umsatzsteuerliche Organschaft ist nicht an volle Kalenderjahre oder Voranmeldungszeiträume gebunden.
Eine kurzzeitige finanzielle Eingliederung von wenigen Wochen führt allerdings noch nicht in jedem Fall zu einem Organschaftsverhältnis.
Bei der Beurteilung der Organschaft ist nur der jeweilige Veranlagungszeitraum zu betrachten. Es ist bei dieser Prüfung ohne Bedeutung, ob und warum die Eingliederungsvoraussetzungen in den vorigen Veranlagungszeiträumen nicht vorgelegen haben.
Eine Rückwirkung der Organschaft kann umsatzsteuerlich nicht erfolgen. Sie liegt erst dann vor, wenn alle Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind. Dies ist insbesondere in den Fällen einer – ertragsteuerlich rückwirkenden – Umwandlung zu beachten.
Das Organschaftsverhältnis ist beendet, wenn alle 3 Eingliederungsvoraussetzungen nicht mehr gleichzeitig vorliegen.
Ende der Organschaft im Insolvenzverfahren
Grundsätzlich endet die Organschaft nach der Rechtsprechung des BFH mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft. In seiner Entscheidung hat der BFH klargestellt, dass mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers die Organschaft endet. Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft. Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.
Der BFH hatte in einem weiteren Verfahren entschieden, dass weder die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger noch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung bei der Organgesellschaft eine Organschaft beenden, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird, sowie eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt. Die Finanzverwaltung hat den Leitsatz der Entscheidung des BFH in Abschn. 2.8 Abs. 12 Satz 6 UStAE zur Insolvenz in Organschaftsfällen mit aufgenommen. Sie hat aber ergänzend klargestellt, dass die in Abschn. 2.8 Abs. 12 UStAE aufgenommene Einschränkung der Beendigung einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft bei Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung (mit Ausnahme der unter das COVInsAG fallenden Sachverhalte) nur für bis zum 31.12.2020 angeordnete Sachverhalte gilt.
Wenn das Organschaftsverhältnis beendet ist, muss die bis dahin eingegliederte Organgesellschaft ab diesem Zeitpunkt ihre Umsätze eigenständig versteuern. Außerdem liegen ab diesem Zeitpunkt in jedem Fall steuerbare Umsätze zwischen dem ehemaligen Organträger und seiner ehemaligen Organgesellschaft vor. Soweit Steuerbeträge erst nach Beendigung der Organschaft entstehen, aber auf Leistungen vor Beendigung der Organschaft zurückzuführen sind, sind diese dem Organträger zuzurechnen. Ebenso richtet sich die Berichtigung von Steuerbeträgen nach § 17 UStG für alle vor dem Ende der Organschaft ausgeführten Leistungen auch nach Beendigung der Organschaft gegen den Organträger.