Kommentar
Ist eine juristische Person des zivilen Rechts finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmern eines anderen Unternehmers eingegliedert, ist die juristische Person (= Organgesellschaft) nicht selbstständig tätig (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Unternehmer ist dann nur der Organträger, der damit Träger aller umsatzsteuerrechtlichen Rechte und Pflichten ist.
Die Organschaft ist kein Wahlrecht. Liegen alle Eingliederungsvoraussetzungen vor, ist Organschaft zwingend gegeben.
Fällt eines der Eingliederungsmerkmale weg, ist die umsatzsteuerrechtliche Organschaft beendet. Der BFH hatte entschieden, dass die wirtschaftliche Eingliederung entfällt, wenn für ein Grundstück die Zwangsverwaltung und die Zwangsversteigerung angeordnet worden ist und über das überlassene Grundstück die wirtschaftliche Eingliederung hergestellt worden ist.
Im Regelfall ist die Überlassung eines Grundstücks als ausreichende Voraussetzung für die wirtschaftliche Eingliederung anzusehen, da die wirtschaftliche Eingliederung dann vorliegt, wenn Wirtschaftsgüter überlassen werden, die nicht nur von geringer Bedeutung sind.
Die Finanzverwaltung will dieses Urteil des BFH über den entschiedenen Fall hinaus nicht anwenden (Nichtanwendungserlass). Nach der Auffassung der Finanzverwaltung vollzieht sich die Entflechtung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Nutzungsverhältnisses zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft. Damit kann mit der Anordnung der Zwangsverwaltung die wirtschaftliche Eingliederung nicht beendet sein.
Beschränkt sich die unternehmerische Betätigung des Organträgers aber auf die Überlassung des von den Zwangsmaßnahmen betroffenen Grundstücks an die Organgesellschaft, ist die organisatorische Eingliederung nicht mehr gegeben und die Organschaft aus diesem Grund beendet. Mit der Anordnung der Zwangsverwaltung über das Grundstück verliert der Organträger den Einfluss auf seine gesamte unternehmerische Sphäre.
Dies gilt aber nur dann, wenn die unternehmerische Betätigung des Organträgers sich auf die Überlassung des Grundstücks an die Organgesellschaft beschränkt und der Organträger (= Eigentümer des Grundstücks) nicht selber zum Zwangsverwalter bestellt wird.
Konsequenzen für die Praxis
Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ist für die beteiligten Unternehmensteilen insbesondere dann von Bedeutung, wenn es einem der Unternehmensteilen wirtschaftlich schlecht geht. Da der Organträger der Schuldner der Umsatzsteuer für alle im Organkreis ausgeführten Leistungen sowie der Vorsteuerabzugsberechtigte ist, sind alle im Zeitpunkt des Zerfalls der Organschaft zu berichtigenden Vorsteuerbeträge (z. B. bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) auch vom Organträger zu korrigieren. Damit kommt dem Zeitpunkt des Zerfalls der Organschaft eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung zu. Dabei ist bei der Anordnung der Zwangsverwaltung über ein Grundstück, über das die wirtschaftliche Eingliederung hergestellt wird, eher auf die Voraussetzung der organisatorischen Eingliederung als auf die wirtschaftliche Eingliederung zu achten.
Zu beachten ist, dass auch die Organgesellschaft für Umsatzsteuerbeträge des Organkreises haftet (§ 73 AO).
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 1.12.2009, IV B 8 – S 7105/09/10003