Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Eine sonstige Leistung ist nur dann steuerbar, wenn die Leistung im Inland ausgeführt worden ist. Dazu muss geprüft werden, wo sich nach den Regelungen des UStG der Ort der sonstigen Leistung befindet. Dabei sind vor den beiden Grundregelungen des § 3a Abs. 1 und Abs. 2 UStG vorrangig die Sonderregelungen zur Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 ff. UStG zu prüfen. Soweit ein Unternehmer an einen Nichtunternehmer im Drittlandsgebiet eine in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG abschließend aufgeführte Leistung ausführt, verlagert sich der Ort der sonstigen Leistung an den Ort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist – die Leistung ist dann nicht im Inland steuerbar.
Ob – und wenn ja welche – Rechtsfolge sich dann daraus im Drittlandsgebiet ergibt, ist ausschließlich nach dem dort geltenden Steuerrecht zu prüfen.
Zu den in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG aufgeführten Leistungen gehören insbesondere rechtliche und wirtschaftliche Beratungen. Der EuGH hatte 2022 entschieden, dass die von Drittgesellschaften im Namen und für Rechnung einer Versicherungsgesellschaft erbrachten Dienstleistungen der Schadensregulierung nicht zu den in dieser Regelung angeführten "Dienstleistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstigen ähnlichen Leistungen sowie zu Datenverarbeitung und zu Auskunftserteilung" gehören.
Hinweis
Der Fall betraf ein rumänisches Verfahren, das Leistungen zum Gegenstand hatte, die vor dem 1.1.2010 ausgeführt wurden. Für Leistungen, die ab dem 1.1.2010 ausgeführt werden, wäre der Leistungsort nicht strittig gewesen, da es sich um "B2B-Leistungen" handelte, die seit dem 1.1.2010 am Sitzort des Leistungsempfängers ausgeführt werden. Dies galt aber für Leistungen vor dem 1.1.2010 nur bei bestimmten Leistungen. Die vom EuGH jetzt vorgenommene Abgrenzung, die die Finanzverwaltung nun in den UStAE übernommen hat, hat aber immer noch ihre Bedeutung bei "B2C-Leistungen", die drittlandsgrenzüberschreitend ausgeführt werden.
Die Finanzverwaltung hat in diesem Zusammenhang an verschiedenen Stellen des Abschn. 3a.9 UStAE Ergänzungen vorgenommen:
- Keine reine Beratungsleistung liegt vor, wenn eine Dienstleistung die Ausübung einer Entscheidungsbefugnis voraussetzt (z. B. in Bezug auf die Gewährung oder Ablehnung einer Entschädigung, wie im Fall der Schadensregulierung).
- Zur Erläuterung der berufstypischen Leistungen im Rahmen des Anwaltsberufs wird ausgeführt, dass diese hauptsächlich und gewöhnlich die Vertretung und Verteidigung der Interessen eines Mandanten zum Gegenstand haben, was im Allgemeinen in einem Kontext der Auseinandersetzung und in Gegenwart widerstreitender Interessen stattfindet.
- Zu den "ähnlichen Leistungen anderer Unternehmer" gehören solche Leistungen, die irgendeiner der genannten Tätigkeiten, gesondert betrachtet, ähnlich sind; dies ist dann der Fall, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen.
Konsequenzen für die Praxis
Die Regelung des § 3a Abs. 4 UStG ist von der Grundkonzeption klar: Wird eine dort aufgeführte sonstige Leistung an einen Nichtunternehmer aus dem Drittlandsgebiet ausgeführt, wird die Besteuerungshoheit in die Hand des Drittstaats gelegt. Der Umsatz ist dann nicht im Inland steuerbar. Im Einzelfall ist aber die Abgrenzung schwierig, was alles unter die abschließende Aufzählung des § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG fällt. Insoweit ist es begrüßenswert, dass die Finanzverwaltung zeitnah die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebende Klarstellung mit in den UStAE aufgenommen hat und damit zur allgemeinen Anwendung freigegeben hat.
Die Regelungen kommen nicht zur Anwendung, wenn die Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. In diesem Fall bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistungen nach der "B2B-Grundregelung" des § 3a Abs. 2 UStG, sodass der Ort der sonstigen Leistung dann (auch) dort ist, wo der Leistungsempfänger ansässig ist bzw. eine die Leistung empfangende Betriebsstätte unterhält. Nur wenn eine in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG aufgeführte Leistung an einen Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet ausgeführt wird, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung dort, wo der leistende Unternehmer ansässig ist oder eine die Leistung ausführende Betriebsstätte unterhält. Soweit der leistende Unternehmer im Inland ansässig ist, führt dies zu einer im Inland steuerbaren Leistung.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 4.1.2024, III C 3 – S 7117-f/21/10001 :001, BStBl 2024 I S. 170