Überblick
Die Finanzverwaltung hat zu den Rechtsfolgen des vieldiskutierten "Seeling"-Urteils des EuGH zur Privatnutzung von Unternehmensgebäuden Stellung genommen. Erwartungsgemäß geschah dies eher restriktiv. Die vorsteuerabzugsberechtigenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes sind danach abweichend von den ertragsteuerlichen Grundsätzen in vollem Umfang auf den 10-jährigen Vorsteuerberichtigungszeitraum zu verteilen. Die Finanzverwaltung versagt die Anwendung des § 4 Nr. 9a UStG (Steuerfreiheit für Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen) im Falle der Entnahme des Gebäudeteils aus dem Unternehmensvermögen. Unternehmer, die nur steuerfreie Tätigkeiten ohne Vorsteuerabzugsrecht ausüben, können nach Auffassung des BMF auch für den Privatanteil keinen Vorsteuerabzug erhalten.
Die Anweisung des Bundesministers der Finanzen
Hintergrund des Schreibens ist, dass ein Unternehmer Gegenstände, die er zu mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet, seinem Unternehmensvermögen zuordnen kann (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Verwendet er den Gegenstand für nichtunternehmerische Zwecke, liegt eine unentgeltliche sonstige Leistung vor (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG), soweit der Gegenstand ganz oder teilweise den Vorsteuerabzug zugelassen hatte. Diese Wertabgabe (unentgeltliche sonstige Leistung) aus dem Unternehmensvermögen ist dann steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Steuerbefreiungen nach § 4 UStG dürfen nur dann angewandt werden, wenn dies ausdrücklich im Gesetz auch für eine solche unentgeltliche Leistung angeordnet wird. Nach dem EuGH-Urteil vom 8.5.2003 sowie der Folgeentscheidung des BFH ist insbesondere die Privatnutzung eines Teiles eines dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudes nicht nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfrei. Damit eröffnet sich für Unternehmer die liquiditätsschaffende Möglichkeit, aus der gesamten Bausumme eines Gebäudes sofort den Vorsteuerabzug vorzunehmen. In den folgenden Jahren ist die Privatnutzung zu versteuern (Ausgangsleistung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG).
Wer als Unternehmer das Gebäude aber nur für steuerfreie Tätigkeiten verwendet, kann nach Auffassung des BMF auch für den Privatanteil keinen Vorsteuerabzug erhalten.
Beispiel
Arzt A erzielt nur steuerfreie Umsätze i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG. Er nutzt in seinem Einfamilienhaus, das er zulässigerweise (§15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet hat, das Erdgeschoss für seine unternehmerische Tätigkeit als Arzt und das Obergeschoss für eigene Wohnzwecke.
A steht hinsichtlich des Einfamilienhauses kein Vorsteuerabzug zu (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 UStG). Die private Nutzung des Obergeschosses ist daher keine steuerbare unentgeltliche sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs.9a Nr.1 UStG, da das dem Unternehmen zugeordnete Gebäude hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Gebäudeteils nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.
Damit scheidet insbesondere in den folgenden Fällen ein Vorsteuerabzug für die eigengenutzte Wohnung im unternehmerisch zugeordneten Haus aus:
- Der Unternehmer nutzt eine Wohnung für eigene Wohnzwecke in einem dem Unternehmensvermögen zugeordneten Haus, in dem er ansonsten nur eine unternehmerische Tätigkeit ausführt, die unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 bis Nr. 28 UStG fällt (vgl. obiges Beispiel).
- Der Unternehmer nutzt eine Wohnung für eigene Wohnzwecke in einem, dem Unternehmensvermögen zugeordneten Haus, in dem er ansonsten nur noch Wohnungen für Mietwohnzwecke steuerfrei vermietet.
Dies gilt aber bereits nicht mehr, wenn die unternehmerische Verwendung den Vorsteuerabzug zumindest teilweise zulässt. Dies ist auch dann der Fall, wenn nur ein untergeordneter Teil des Hauses (von mindestens 10 %) für steuerpflichtige Umsätze verwendet wird, z.B. ein für steuerpflichtige Zwecke genutztes häusliches Arbeitszimmer.
Die obigen Grundsätze gelten auch, wenn ein Unternehmer aus nichtunternehmerischen Gründen anderen Personen einen Teil des dem Unternehmensvermögen zugeordneten Hauses unentgeltlich überlässt (z.B. an Familienangehörige).
Die für die Praxis ebenfalls sehr wichtige Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG) regelt ein gleichzeitig veröffentlichtes BMF-Schreiben. Im Ergebnis können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes nicht - wie bisher üblich - auf den (längeren) ertragsteuerlichen Abschreibungszeitraum nach § 7 EStG verteilt werden, sondern sie sind auf den (bei Gebäuden 10jährigen) Vorsteuerberichtigungszeitraum zu verteilen.
Verwendet der Unternehmer einen Teil des Gebäudes erst für besteuerte unternehmerische Zwecke, später aber für private Wohnzwecke, liegt keine Änderung der Verhältnisse nach § 15a UStG vor (d.h. kein Fall einer Vorsteuerberichtigung). Allerdings unterliegt die private Nutzung der Wohnung der Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG).
Entnimmt der Unternehmer das Gebäude aus dem Unternehmensvermögen, sieht die Finanzverwaltung darin eine steuerbare Lieferung nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG, die nicht der...