Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Nach § 4 Nr. 2 UStG i. V. m. § 8 UStG sind bestimmte Umsätze für die internationale Luftfahrt und die Seeschifffahrt von der Umsatzsteuer befreit. Die Finanzverwaltung hatte schon 2017 und 2018 die Rechtsprechung des EuGH übernommen, dass in bestimmten Fällen – anders als bis dahin von der Finanzverwaltung angenommen – Leistungen nach § 4 Nr. 2 UStG i. V. m. § 8 UStG steuerfrei sein können, wenn sie nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffs ausgeführt werden.
In dem Urteil hatte der EuGH festgestellt, dass bei der Ausführung von Be- und Entladeleistungen Art. 148 Buchst. a MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass nicht nur Dienstleistungen im Bereich des Beladens und Entladens eines Schiffs von der Steuer befreit sein können, die auf der letzten Handelsstufe einer solchen Dienstleistung erbracht werden, sondern auch bei auf einer vorausgehenden Handelsstufe erbrachten Dienstleistungen.
Allerdings konnten durch die BMF-Schreiben nicht alle Zweifelsfragen der Praxis geklärt werden, sodass die Verwaltung erneut eine Präzisierung ihrer Verwaltungsanweisungen vornimmt. Hintergrund der Änderung ist die Frage, ab wann ein Wasserfahrzeug als "vorhanden" angesehen werden kann. Nur wenn das Wasserfahrzeug "vorhanden" ist, kann eine Begünstigung i. S. d. § 8 UStG in Frage kommen. Bisher (durch BMF-Schreiben v. 5.9.2018) hatte die Finanzverwaltung festgestellt, dass ein Wasserfahrzeug frühestens ab dem Zeitpunkt seines (klassischen) Stapellaufs oder seines Aufschwimmens im Trockendock als "vorhanden" angesehen werden kann. In der überarbeiteten Fassung des Abschn. 8.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE wird an Stelle des klassischen Stapellaufs festgestellt, dass ein Wasserfahrzeug ab dem Zeitpunkt seiner Abnahme durch den Besteller als "vorhanden" anzusehen ist.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung konkretisiert erneut die Voraussetzungen, unter denen Leistungen im Zusammenhang mit einem Seeschiff steuerfrei sein können, selbst wenn sie nicht an den Betreiber des Seeschiffs ausgeführt werden. Unter den ansonsten unveränderten Voraussetzungen können solche steuerbefreiten Leistungen schon ausgeführt werden, wenn die Abnahme durch den Besteller erfolgt ist, auf den klassischen Stapellauf ist nicht mehr abzustellen.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn die bisherige Rechtslage zu Abschn. 8.1 Abs. 1 und Abs. 2 UStAE für Umsätze vor dem 1.7.2019 weiter angewendet wird, auch brauchen keine Rechnungen, die im Jahr 2018 und dem ersten Halbjahr 2019 unter den bisherigen Voraussetzungen erstellt worden sind, berichtigt werden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 18.6.2019, III C 3 – S 7155/19/10001 :001, BStBl 2019 I S. 591.