Überblick
Seit 2004 wird ein bauleistender Unternehmer zum Steuerschuldner für eine ihm gegenüber ausgeführte Bauleistung. Wesentliche Voraussetzung für die Übertragung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ist, dass er als "bauleistender Unternehmer" anzusehen ist. Bisher waren die Voraussetzungen dafür in Abschn. 182 a Abs. 10 ff. UStR 2008 aufgeführt. Die Finanzverwaltung präzisiert und weitet diese Voraussetzungen jetzt aus. Für alle bis zum 31.12.2009 ausgeführten Leistungen wird es aber nicht beanstandet, wenn noch von der alten Definition ausgegangen wird.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Wird im Inland eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung ausgeführt, muss geprüft werden, wer der Steuerschuldner für diese Leistung ist. Regelmäßig wird der Leistungsempfänger der Steuerschuldner sein (§ 13a Abs. 1 UStG). In bestimmten Fällen, wenn die Steuererhebung gefährdet wäre, kann die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergehen (Reverse-Charge-Verfahren). In Deutschland ist dies in § 13b UStG (Steuerschuldnerverfahren) geregelt.
Einer der Anwendungsfälle des Reverse-Charge-Verfahrens ist die Ausführung von Bauleistungen an einen anderen Unternehmer, der selber Bauleistungen ausführt (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG). Gesetzlich definiert sind diese Bauleistungen als Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Ausgenommen davon sind aber Planungs- und Überwachungsleistungen. Diese Regelung kann aber nur im Inland ansässige leistende Unternehmer betreffen, da bei der Ausführung solcher Leistungen durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer das Reverse-Charge-Verfahren sowieso zur Anwendung kommt (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Findet das Reverse-Charge-Verfahren Anwendung, darf der leistende Unternehmer keine Umsatzsteuer in seiner Rechnung ausweisen, der Leistungsempfänger muss auf den ausgewiesenen Nettobetrag die Umsatzsteuer heraufrechnen und bei seinem Finanzamt anmelden. Darüber hinaus muss der leistende Unternehmer auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger hinweisen.
Wenn der leistende Unternehmer nicht erkennt, dass das Reverse-Charge-Verfahren anzuwenden ist und deshalb in seiner Rechnung Umsatzsteuer gesondert ausweist, kommt das Reverse-Charge-Verfahren dennoch zur Anwendung. Der Leistungsempfänger ist dann aber nicht zum Vorsteuerabzug der ihm in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer berechtigt (unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG).
Bisher war die Eigenschaft des Leistungsempfängers als "bauleistender Unternehmer" in Abschn. 182 a Abs. 10 ff. UStR 2008 geregelt. Die Finanzverwaltung verändert jetzt diese Definition in einigen Fällen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Bei Bauleistungen (alle Leistungen, die geeignet sind, die Bausubstanz zu verändern, vgl. dazu auch ausführlich Abschn. 182 a Abs. 3 ff. UStR 2008) wird der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst derartige Leistungen erbringt. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn er die Bauleistung für seinen nichtunternehmerischen Bereich bezogen hat.
Die Steuerschuld geht aber – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – nur dann auf den Leistungsempfänger über, wenn dieser schon nachhaltig Bauleistungen am Markt erbracht hat. Hat der Leistungsempfänger noch keine solchen Bauleistungen ausgeführt und plant er nur, im Verlauf des Jahres solche Bauleistungen auszuführen, geht die Steuerschuld noch nicht auf ihn über – allerdings werden von dieser Grundaussage dann auch wieder Ausnahmen gemacht.
Die Finanzverwaltung geht von einer unwiderlegbaren Vermutung aus, dass der Leistungsempfänger ein bauleistender Unternehmer ist, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr Bauleistungen erbracht hat, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10 % der Summe seiner steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze betragen hat (Weltumsatz).
Nach Abschn. 182 a Abs. 11 UStR 2008 wurde bis zum 31.12.2009 ebenfalls von 10 % ausgegangen, in die Prüfung dieser Grenze wurden aber nur die steuerbaren (d. h. die in Deutschland ausgeführten) Leistungen miteinbezogen. Seit dem 1.1.2010 kommt es auf die weltweit ausgeführten Umsätze an.
Grundsätzlich soll gelten, dass der Leistungsempfänger nur dann als bauleistender Unternehmer anzusehen ist, wenn er im vorangegangenen Jahr diese Umsatzgrenze überschritten hat. In Ausnahmefällen kann er aber auch schon vor Ausführung solcher Bauleistungen als Steuerschuldner für an ihn ausgeführte Bauleistungen angesehen werden. Voraussetzung dafür ist nach Auffassung der Finanzverwaltung, dass der leistungsempfangende Unternehmer schon vor der Ausführung eigener Bauleistungen nach außen erkennbar mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen begonnen hat.
Leider gibt die Finanzverwaltung keine Hinweise, was solche "erkennbaren ersten Handlungen" sein können. In der Praxis kann man wohl davon ausgehen, ...