Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Die Lieferung von Altstoffen i. S. d. Anlage 3 zum UStG unterliegt dem Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG. Die Grundsätze der Übertragung der Steuerschuldnerschaft sind auch dann anzuwenden, wenn es sich um einen tauschähnlichen Umsatz handelt, z. B. wenn der Schrotthändler gegen eine Barvergütung an den liefernden Unternehmer eine Entsorgungsleistung ausführt. Ein solcher tauschähnlicher Umsatz setzt voraus, dass nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragspartner der überlassene Abfall die Höhe der Barvergütung für die Entsorgungsleistung beeinflusst hat. Dies ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nur dann gegeben,
- Wenn die Beteiligten ausdrücklich hierauf gerichtete Vereinbarungen getroffen haben, also neben dem Entsorgungsentgelt einen bestimmten Wert für eine bestimmte Menge der überlassenen Abfälle vereinbart haben, oder
- die wechselseitige Beeinflussung aufgrund der getroffenen Vereinbarungen offensichtlich ist.
Nur die in der Anlage 3 zum UStG aufgeführten Alt- und Reststoffe unterliegen der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger nach § 13b UStG.
Es war jetzt an die Finanzverwaltung die Frage aus der Recyclingwirtschaft herangetragen worden, ob in den Fällen, in denen der den Schrott verkaufende Unternehmer wegen des Preisverfalls keinen positiven Preis für seinen werthaltigen Schrott erzielen kann und dem Entsorgungsunternehmen eine Zuzahlung zu der Schrottentsorgung leisten muss, es trotzdem zur Anwendung des § 13b UStG kommen kann.
Die Finanzverwaltung hat mit einem an den Bundesverband Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen gerichteten Schreiben zu dieser Frage Stellung genommen. In diesem Schreiben werden die allgemeinen Grundsätze für den tauschähnlichen Umsatz in der Entsorgungswirtschaft wiedergegeben, wie sie auch schon in Abschn. 3.16 UStAE dargestellt worden sind. Im Anschluss an diese allgemeinen Feststellungen wird lediglich festgestellt, dass in den Fällen, in denen kein tauschähnlicher Umsatz vorliegt, der "negative Kaufpreis" ein Entgelt für die erbrachte Entsorgungsleistung darstellt, für die der Entsorger die Steuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet. Die Anwendung des § 13b UStG scheidet in diesen Fällen aus.
Konsequenzen für die Praxis
Die Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger ist vom Grundprinzip eine durchaus für die beteiligten Unternehmer sinnvolle Regelung, da sie meistens nicht zu einer Liquiditätsbelastung führt und auch die Risiken des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit einer ordnungsgemäßen Rechnung ausschließt. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anwendung der Regelung für die Beteiligten klar ist und auf eindeutigen gesetzlichen Vorgaben beruht. Gerade die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG führt in der Praxis bei Entsorgungsunternehmen immer wieder zu Anwendungsschwierigkeiten, die die Finanzverwaltung auch nicht durch die allgemeinen Aussagen in Abschn. 3.16 UStAE beseitigen konnte.
Die Antwort des BMF auf die konkreten Anwendungsprobleme in der Recyclingwirtschaft ist leider für den Einzelfall sehr unbefriedigend und führt sicher nicht zur Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen, da sich das BMF nur in der Wiedergabe der allgemeinen Abgrenzungskriterien verliert.
Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass die Frage, ob der den Schrott verkaufende Unternehmer noch einen "positiven" Kaufpreis realisiert oder ob der Wert der Entsorgungsleistung höher als der Wert des Schrotts ist und deshalb zu der Entsorgungsleistung noch eine Zahlung geleistet werden muss, kein systematisches Abgrenzungskriterium dafür darstellen kann, ob eine unter § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG fallende Leistung vorliegt oder nicht. Systematisch kann auch bei einem solchen "negativen" Kaufpreis eine werthaltige Lieferung von Schrott vorliegen, die dann zur Anwendung des § 13b UStG unter den weiteren Voraussetzungen führen kann.
Zu beachten ist für die Entsorgungsunternehmer die Vereinfachungsregelung, dass in den Fällen, in denen die entsorgte Menge 100 kg nicht übersteigt (und die Barvergütung 50 EUR nicht überschreitet), aus Vereinfachungsgründen von keinem tauschähnlichen Umsatz auszugehen ist.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 23.5.2016, III C 3 – S 7279/10/10006, MwStR 2017 S. 254.